Polen-Reise: Pistorius einsamer Antrittsbesuch in Warschau

    Kühler Empfang in Warschau:Pistorius' einsamer Antrittsbesuch in Polen

    von Natalie Steger und Thomas Reichart
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    Nach Kiew ist Verteidigungsminister Pistorius nach Warschau gereist - zum Antrittsbesuch. Dort wird er eher kühl empfangen - sein Kollege hat keine Zeit für gemeinsame Auftritte.

    Boris Pistorius legt am Denkmal des Warschauer Aufstands Blumen nieder.
    Verteidungsminister Pistorius besucht das Denkmal des Warschauer Aufstands - alleine.
    Quelle: dpa

    Der Tag beginnt holprig für Verteidigungsminister Boris Pistorius. Sein Zug aus der Ukraine steht vor der Grenze zu Polen, kommt nicht ins Land. Nach einer guten Stunde fährt ein anderer Sonderzug vorbei. Wie es sich später herausstellt, war es der Zug mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der nach London reist. Aber auch danach geht es für Pistorius' Zug nicht weiter.

    Unfreundliches Signal von polnischer Seite?

    Es vergehen noch einmal zwei Stunden, bis er sich endlich in Bewegung setzt. Warum das so ist, kann niemand so genau sagen. Sicher ist nur: Die polnischen Grenzer müssten signalisieren, dass sie den Zug mit Pistorius aus der Ukraine aufnehmen können. Und das dauert.
    Verteidigungsminister Pistorius war am Dienstag überraschend in Kiew - mit Panzer-Zusagen im Gepäck:
    Ist das ein unfreundliches Signal der polnischen Seite im Streit, wer, wann, wie viele Panzer liefert? Für Stirnrunzeln sorgt auf Seiten der deutschen Delegation, dass der polnische Verteidigungsminister partout kein gemeinsames Pressestatement will. Das wird im Vorfeld klar. Nur ein Vier-Augen-Gespräch soll es geben. Und so beginnt Pistorius' Besuch in Warschau mit Einzelprogramm.

    Pistorius in Warschau allein unterwegs

    Der deutsche Verteidigungsminister legt zunächst alleine einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten nieder. Auch am Denkmal des Warschauer Aufstands ist Pistorius alleine ohne seinen polnischen Amtskollegen unterwegs, genau so alleine am Denkmal der Helden des Ghettos und an der Gedenktafel zu Willy Brandts Kniefall 1970. Er trifft noch den Chef des Büros für nationale Sicherheit und schließlich geht es Richtung polnisches Verteidigungsministerium zum bilateralen Gespräch.
    Der ehemalige deutsche Botschafter in Polen, Rolf Nikel, bezeichnet die deutsch-polnischen Beziehungen im ZDF als "solide und gut":
    Rolf Nikel, ehemaliger deutscher Botschafter in Polen
    08.02.2023 | 6:46 min
    Das Treffen hat noch nicht angefangen, da hat Minister Mariusz Blaszczak, der ja keine Zeit für eine Pressekonferenz mit Pistorius hat, dann doch offensichtlich ein bisschen Zeit an diesem Tag: Er lässt sich live im polnischen Staatsfernsehen TVP interviewen, was auf deutscher Seite für Überraschung sorgt.

    Blaszczak: Enttäuscht von deutschen Panzerlieferungen

    Das TVP-Interview ist kurz, aber mit einer klaren Botschaft an die Polinnen und Polen auf die Frage dazu, was er mit dem deutschen Kollegen besprechen werde: "Wir werden über die Koalition sprechen, eine Koalition von Ländern, die Leopard-Panzer haben und bereit sind, diese in die Ukraine zu liefern."

    Unser Beitrag sind 14 Panzer, der deutsche ebenfalls 14. Wir sind ein bisschen enttäuscht mit dieser Zahl von deutscher Seite.

    Mariusz Blaszczak, polnischer Verteidigungsminister

    Infografik: Der Kampfpanzer Leopard

    Mit keinem Wort erwähnt Blaszczak den Vortag, weder Pistorius' Reise in die Ukraine noch die Genehmigung der Bundesregierung am Dienstag, bis zu 178 Panzer vom älteren Typ Leopard 1 an die Ukraine zu liefern.

    Pistorius: Spüre Einigkeit mit Polen

    Schließlich also der Abschluss von Pistorius' Polen-Reise und noch einmal ein Alleinauftritt vor der Presse. Der SPD-Politiker spüre eine Einigkeit mit Polen, betont Pistorius, und habe auch keine Scheu, alleine vor die Journalisten zu treten. "Was der dezente Hinweis darauf zu bedeuten hat, dass es nur 14 Leopard 2A6 sind, auch damit gehe ich gelassen um."
    Das Gespräch sei "eines der klarsten und ehrlichsten Gespräche, die man sich vorstellen kann" gewesen. Das lässt Raum für Spekulationen. Kein gemeinsames Abschluss-Statement - äußerst ungewöhnlich für diesen Antrittsbesuch. Denn eines ist klar: Minister Blaszczak ist an sich nicht medienscheu. Blaszczak posiert und spricht vor US-Soldaten im Land, vor polnischen Soldaten, erst gestern vor Patriot-Flugabwehrsystemen in Warschau.

    Kriegsangst in Polen

    Zu den von Deutschland überstellten Patriots in Ostpolen hat er es noch nicht geschafft. Es ist Wahlkampfjahr, Berlin wird seit Wochen regelmäßig dafür kritisiert, es unterstütze die Ukraine zu wenig.
    Das verfängt im Frontstaat Polen, in dem die Kriegsangst durchaus umgeht, und damit lässt sich in der Bevölkerung parteiübergreifend punkten. Für schöne Bilder Seite an Seite mit dem deutschen Verteidigungsminister war heute offenbar keine Zeit.

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