Ein Schwarm vertilgt an einem einzigen Tag die Nahrung von Zehntausenden Menschen. Milliarden Heuschrecken fressen derzeit Ostafrika kahl. Ein Ende der Plage ist nicht in Sicht.
In Katitika in Kenia mischt sich das Summen von Millionen Heuschrecken mit den verzweifelten Rufen der Bauern und dem Klappern von Töpfen und Pfannen. Der Lärm hält die gefräßigen Insekten kaum davon ab, sich an den Mais- und Bohnenfeldern dieser ländlichen Gemeinde zu weiden. Bei der seit 70 Jahren schlimmsten Plage ziehen Hunderte Millionen Wüstenheuschrecken aus Somalia und Äthiopien nach Kenia. Die Insekten zerstören Acker- und Weideland, so dass der Region Hungersnöte drohen.
"Sogar die Kühe fragen sich, was los ist", klagt Ndunda Makanga, der stundenlang versucht, die Heuschrecken von seinem Hof zu vertreiben. "Mais, Hirse, Kuhbohnen, sie haben alles gefressen." Schon vor dieser Plage waren fast 20 Millionen Menschen in ganz Ostafrika durch periodische Dürren und Überschwemmungen von Hunger bedroht.
Zahl könnte explodieren: auf das Fünfhundertfache
Die Vereinten Nationen warnen: Wenn im März der Regen einsetzt und weiten Teilen der Region neue Vegetation bringt, könne die Zahl der sich rasant vermehrenden Insekten explodieren: auf das Fünfhundertfache. Dann würde erst trockeneres Wetter im Juni die Verbreitung eindämmen.
... sagt daher David Phiri von der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO bei einer Geberkonferenz im drei Autostunden entfernten Nairobi.
Umgerechnet rund 63 Millionen Euro werden für die Bekämpfung mit Pestiziden aus der Luft benötigt - laut UN der einzig wirksame Weg. Das könnte insbesondere in Somalia, wo Teile des Landes von der Fundamentalistenmiliz Al-Shabaab kontrolliert werden, schwierig werden.
Einwohner kämpfen mit Schaufeln
Die rosaroten Heuschrecken färben ganze Bäume pink und klammern sich wie zitternde Ornamente an die Äste, bevor sie in raschelnden Wolken abheben. Auch Kinder versuchen die fingerlangen Insekten zu vertreiben, schwingen Decken oder rupfen an den Zweigen, um die Tiere abzuschütteln. Manche Einwohner schlagen mit Schaufeln auf sie ein.
In Kenia sind bereits rund 70.000 Hektar Land befallen. Selbst ein kleiner Schwarm der Insekten kann an einem einzigen Tag Nahrung für 35.000 Menschen vertilgen, rechnet Jens Laerke vom UN-Hilfsbüro in Genf vor. Die Bauern haben Angst, ihr Vieh auf die Weiden zu lassen. Auch ihre Hirse- und Maiskulturen sind gefährdet, doch ausrichten können sie nur wenig.
Kipkoech Tale ist Spezialist für Schädlingsbekämpfung im kenianischen Landwirtschaftsministerium und umreißt die Ausmaße der Plage. "Ich spreche von über 20 Schwärmen, die wir besprüht haben, und es kommen noch mehr." Ein Schwarm bestehe aus bis zu 150 Millionen Heuschrecken pro Quadratkilometer Ackerland - das entspricht fast 250 Fußballfeldern. Im Nordosten Kenias ist ein besonders großer Schwarm unterwegs; er misst 60 Kilometer Länge und 40 Kilometer Breite. Deshalb brauche Kenia mehr Sprühgeräte, um die vier aktuell eingesetzten Flugzeuge zu ergänzen, sagt Tale.
Kornkammer Äthiopiens ist bedroht
Mindestens genauso groß ist die Sorge um die Ausbreitung der Plage. Abubakr Salih Babiker, Klimawissenschaftler in Nairobi sagt, der Klimawandel habe zu den außergewöhnlich guten Brutbedingungen beigetragen. Wird das Wetter wie erwartet, lassen Klima und Wetter zusammen Schlimmes befürchten.
Die Wüstenheuschrecken wandern mit dem Wind und können an einem einzigen Tag bis zu 150 Kilometer zurücklegen. Sie sehen aus wie kleine Flugzeuge, die träge am Himmel kreuzen. Jetzt ziehen sie Richtung Uganda und den politisch instabilen Südsudan weiter, wo nach dem Bürgerkrieg fast die Hälfte der Bevölkerung Hunger leidet. Auch Uganda ist bereits in Alarmbereitschaft, das ostafrikanische Binnenland hat seit den 1960er Jahren keine solche Heuschreckenplage mehr erlebt.
Manche Schwärme bewegen sich nach UN-Angaben auch in Richtung des äthiopischen Grabenbruchs. So heißt die Kornkammer Äthiopiens, dem Land mit der zweitgrößten Bevölkerung in Afrika. "Die Heuschrecken lieben Kohl und Bohnen. Das kann die prekäre Ernährungssituation in der Region bedrohen", sagt Buni Orissa aus der Region Sidama in Äthiopien: