Flüchtlingsdrama an Polens Ostgrenze: Belarus lässt Migranten ungehindert nach Westen ziehen. Polen wehrt sich und schließt die Grenze. Die Menschen leiden.
Wegen illegal über Belarus einreisender Migranten will Polen den Ausnahmezustand in der Grenzregion zu dem östlichen Nachbarland verhängen. Einen entsprechenden Antrag habe die Regierung verabschiedet und Präsident Andrzej Duda vorgelegt, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Dienstag in Warschau.
Der Ausnahmezustand soll mit sofortiger Wirkung gelten, sobald Duda ihn unterschreibt.Geplant sei eine Dauer von 30 Tagen an einem "engen Streifen" von drei Kilometern Breite entlang der Grenze, sagte Innenminister Mariusz Kaminski. Der Ausnahmezustand werde 183 Ortschaften im Osten des Landes betreffen.
Bürgerliche Rechte eingeschränkt
Die bürgerlichen Rechte würden dort für diese Zeit eingeschränkt. Weder Ausflüge oder Demonstrationen noch andere Aktionen seien dann erlaubt. Für die örtlichen Bewohner seien keine Behinderungen des Alltags zu befürchten. Ortsfremde dürften sich jedoch vorerst in dem Streifen nicht mehr aufhalten.
Weil immer mehr Geflüchtete illegal über Belarus in die EU kommen, will Polen einen Grenzzaun zum Nachbarland bauen. Viele Geflüchtete sitzen nun zwischen Polen und Belarus fest.
Nach Angaben von Kaminski haben allein im August mehr als 3.000 Migranten versucht, illegal über die polnisch-belarussische Grenze zu gelangen. Polen hatte bereits in der vergangenen Woche begonnen, an der Grenze zu Belarus einen Zaun zu bauen.
32 Menschen sitzen seit Wochen an Polens Grenze fest
Aktuell geht es um eine Gruppe afghanischer Flüchtlinge bei der Ortschaft Usnarz Gorny, die seit fast drei Wochen an Polens Grenze zu Belarus festsitzt. "Wir wissen, dass es 32 Menschen sind, alle aus Afghanistan, mehrere von ihnen haben dort für internationale Organisationen gearbeitet", sagt Sprecherin Kalina Czwarnog von der Hilfsorganisation "Ocalenie" (Rettung).
Das nasskalte Wetter setze den Flüchtlingen zu, zudem hätten sie Wasser aus einem Fluss getrunken. "Viele klagen über Fieber, Erbrechen und Durchfall." Doch der Grenzschutz habe selbst einen Krankenwagen nicht passieren lassen.
Lukaschenko reagiert auf Sanktionen
Es scheint, als wolle Polens nationalkonservative PiS-Regierung an der Gruppe ein Exempel statuieren. Im Nachbarland Belarus hat Machthaber Alexander Lukaschenko mehrfach erklärt, dass seine Grenzschützer die Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werden - als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen gegen die isolierte Ex-Sowjetrepublik. Nach Litauen ist so nun auch Polen unter Druck geraten. Die Regierung in Warschau spricht von einem "hybriden Krieg". Sie setzt auf Härte - gegen Lukaschenko, aber auch gegen die Migranten.
Schon 2015 weigerte sich Polen gemeinsam mit anderen Ländern in Mittelosteuropa, Schutzsuchende aus Krisenregionen aufzunehmen. An dieser Haltung hat sich wenig geändert. In den ersten sechs Monaten 2021 hat Polen 391 Asylanträge bewilligt, 282 davon stammten von Menschen aus Belarus.Vor den Flüchtlingen, die das autoritär regierte Nachbarland nun Richtung Westen passieren lässt, will sich Polen mit einem 2,50 Meter hohen Zaun an der Grenze schützen.
In dem Dorf Zubrzyca Wielka, nur acht Kilometer von Usnarz Gorny entfernt, haben Soldaten bereits mit den Bauarbeiten begonnen. Polens Grenze zu Belarus, die auch eine EU-Außengrenze ist, ist 418 Kilometer lang.