Die Lage an Polens Grenze eskaliert: Offenbar haben belarussische Soldaten Migranten mit Schüssen eingeschüchtert. Nun meldet sich auch Kanzlerin Merkel zu Wort.
Belarussische Sicherheitskräfte haben polnischen Behördenangaben zufolge im Grenzgebiet Schüsse abgegeben, um Migranten einzuschüchtern. Sie jagten den Migranten Angst ein, indem sie Schüsse in ihrer Anwesenheit abfeuerten, schrieb das polnische Verteidigungsministerium bei Twitter und veröffentlichte dazu ein kurzes Video.
Auf dem knapp sechs Sekunden langen Clip sind ein Schuss und Schreie von Menschen zu hören. Das polnische Ministerium twitterte außerdem, dass es von belarussischer Seite Gewalt gegen Migranten gebe.
Migranten passieren Grenze zu Polen
Die Lage an der belarussisch-polnischen Grenze spitzt sich immer weiter zu: Nach mehreren Grenzdurchbrüchen drängte Polen hunderte Migranten nach Belarus zurück und nahm nach eigenen Angaben mehr als 50 Menschen nach dem illegalen Grenzübertritt fest.
Ministerpräsident Mateusz Morawiecki warf der Regierung in Minsk am Mittwoch "Staatsterrorismus" vor. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet bezeichnete die Situation der Flüchtlinge an der belarussisch-polnischen Grenze als "unerträglich". Die belarussische Regierung in Minsk wiederum warf den polnischen Grenzkräften die Misshandlung von Flüchtlingen vor.
Nach Angaben der polnischen Behörden hatte der Andrang von Migranten an der Grenze zu Belarus in den vergangenen 24 Stunden deutlich zugenommen. Hunderte Menschen, die illegal die Grenze überquerten, wurden von den Sicherheitskräften zurückgedrängt. Kleinere Migrantengruppen würden gleichzeitig an verschiedenen Stellen die polnische Grenze "angreifen".
Merkel bittet Putin um Eingreifen in Minsk
Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bat den russischen Präsidenten Wladimir Putin, "auf die Regime in Minsk einzuwirken", wie aus dem Kanzleramt verlautete. In einem Telefonat mit Putin habe Merkel zudem betont, dass die Instrumentalisierung von Migranten gegen die Europäische Union durch das belarussische Regime unmenschlich und vollkommen inakzeptabel sei.
Merkel forderte außerdem den belarussischen Machthaber Lukaschenko zum Handeln auf. Die Vereinten Nationen sollten vor Ort helfen können, sagte Merkel nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur.
Tausende Migranten übernachten in der Kälte
Zuvor hatten Tausende Migrantinnen und Migranten eine weitere Nacht in der Kälte verbracht. Die Staatsmedien in Minsk verbreiteten Filmaufnahmen von verzweifelten Menschen, die in Zeltlagern und an Lagerfeuern ausharren und hoffen, die EU-Grenze zu überqueren.
Die Regierung in Warschau und die EU werfen dem autoritären belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, gezielt Menschen aus Krisenregionen einfliegen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen.
Ein Großteil der Migranten und Flüchtlinge will nach Deutschland.
EU weitet Sanktionen gegen Belarus aus
Derweil wird die Europäische Union die Sanktionen gegen Belarus ausweiten. Die Strafmaßnahmen würden Personen und Organisationen betreffen, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwochabend nach einem Gespräch mit US-Präsident Joe Biden in Washington an.
Sie erklärte, bei der Situation an der polnisch-belarussischen Grenze handele es sich nicht um eine Flüchtlingskrise, sondern um den Versuch des "autoritären Regimes" in Minsk, Nachbarländer zu destabilisieren.
Russland und Belarus weisen Kritik zurück
Russland und Belarus hatten zuvor Vorwürfe Polens und der EU schroff zurückgewiesen. Der belarussische Machthaber Lukaschenko warf der EU das vor, was diese ihm vorwirft: einen "Hybrid-Krieg" zu führen. Im belarussischen Fernsehen sagte er:
"Ich befürchte, dass diese Konfrontation an der Grenze wegen der Migranten zu einer aktiven Phase führen kann. Das sind Gründe für Provokationen. Alle Provokationen sind möglich", sagte Lukaschenko weiter.
- Lukaschenko verhält sich "völkerrechtswidrig"
Minister Altmaier verurteilt das Vorgehen von Lukaschenko gegen Migranten. Die EU wolle seine "organisierte Menschenschlepperei" nicht hinnehmen, sagte er im ZDF-Talk Markus Lanz.