Deutsch-polnische Beziehungen: Eine vorsichtige Annäherung

    Deutsch-polnische Beziehungen:Eine vorsichtige Annäherung in Berlin

    von Thomas Dudek
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    Polens Staatspräsident Andrzej Duda war heute zu Gast in Berlin. Ein Besuch, bei dem die Ukraine im Fokus stand, indirekt aber auch das deutsch-polnische Verhältnis.

    Berlin: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r) und Andrzej Duda, Präsident von Polen, geben sich am Ende einer Pressekonferenz nach ihrem Gespräch im Schloss Bellevue die Hand.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l.) und Polens Staatspräsident Andrzej Duda im Schloss Bellevue
    Quelle: epa

    Am heutigen Montag hätte man meinen können, dass das deutsch-polnische Verhältnis glänzend wäre. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bejubelte die Nachricht, Mercedes-Benz werde im oberschlesischen Jaworzno ein neues Werk errichten und dabei rund eine Milliarde Euro investieren.
    Zeitgleich traf in Berlin der polnische Staatspräsident Andrzej Duda ein, der sich erst vor einigen Wochen in einem Interview als "Anwalt guter deutsch-polnischer Beziehungen" bezeichnet hatte. Was Duda auch erneut tat. Von einer "guten nachbarschaftlichen Atmosphäre" sprach das polnische Staatsoberhaupt und betonte dabei sehr gute deutsch-polnische Geschichte "in den letzten 30 Jahren".

    Antideutsche Töne keine Seltenheit

    Es ist jedoch kein Geheimnis, dass solche Worte vor allem seit Regierungsantritt der PiS 2015 eine Ausnahme geworden sind. Denn zum Alltag gehören eher antideutsche Töne, auch wenn sie manchmal widersprüchlich sind.
    "Bereits nach 1989 begann der Prozess der Kolonisierung Polens durch Deutschland. Genauer gesagt durch das deutsche Kapital", erklärte erst kürzlich Arkadiusz Mularczyk, Vize-Außenminister und der politische Kopf bei den polnischen Reparationsforderungen an Deutschland. Ein Narrativ, das seit Jahren auch zum festen Repertoire des PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński gehört.

    Duda: Zwischen klarer Kritik und Kooperation

    Nicht frei von dieser Deutschland-Ambivalenz ist auch Präsident Duda. Noch im Präsidentschaftswahlkampf 2020 warf er Deutschland vor, sich in den polnischen Wahlkampf einzumischen, um seine Wiederwahl zu verhindern.
    Doch spätestens seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine hat sich Dudas Ton gegenüber Deutschland verändert. Im Bezug auf den sogenannten Ringtausch warf er Deutschland zwar auch Wortbruch vor, suchte aber gleichzeitig die Zusammenarbeit mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
    Die im April geplante Reise Steinmeiers nach Kiew, die der Bundespräsident damals zusammen mit Duda sowie den drei baltischen Staatspräsidenten absolvieren sollte und die wegen Steinmeiers Ausladung durch Kiew zu deutsch-ukrainischen Misstönen führte, wurde von dem polnischen Staatspräsidenten initiiert.

    Streit um Lieferung von Patriot-Luftabwehr

    Das jüngste Beispiel für diese Ambivalenz ist der Streit um ein Patriot-System, das Deutschland nach dem Raketeneinschlag in einem polnischen Dorf Polen angeboten hatte. Nach der ersten positiven Reaktion kam aus Warschau der Vorschlag, Deutschland solle dieses der Ukraine übergeben, was für weitere Unstimmigkeiten zwischen Berlin und Warschau sorgte.
    Nach Raketeneinschlag in Polen
    Der Einschlag einer Rakete in Polen ließ die Sorgen wachsen, dass der Ukraine-Krieg auf den Westen übergreift. Eine Eskalation blieb jedoch durch das besonnene Handeln der Nato aus.17.11.2022 | 2:19 min
    Beim heutigen Besuch war von diesem Streit nicht viel zu spüren. "Für uns in Polen ist es eine sehr wichtige Geste", sagte Duda im Bezug auf das Patriot-System.

    Expertin: Polen braucht "vernünftiges Verhältnis" zu Deutschland

    "Duda gehört zu den nationalkonservativen Kräften, denen bewusst ist, dass Polen auch ein vernünftiges Verhältnis zu Deutschland braucht, wenn es außenpolitisch eine Rolle spielen will", sagt Joanna Maria Stolarek, Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Warschau.
    "Und ein besseres Verhältnis zu Deutschland ist auch notwendig, wenn Polen bei der Zukunft der Ukraine eine Rolle spielen möchte", erklärt Stolarek weiter.
    Was aber nicht bedeute, dass nur Warschau Deutschland entgegenkommen muss. "Die Sorge, von Deutschland und Europa bei dem Thema übergangen zu werden, ist in Polen groß. Und die zurückhaltende militärische Unterstützung Berlins für die Ukraine zu Beginn des Krieges hat dieses Misstrauen bestätigt", erklärt die Expertin.

    Beziehung der Länder wichtig über Grenzen hinaus

    Ob sich Duda, der als Präsident mehr Kompetenzen hat als sein deutscher Kollege, mit seiner Deutschland-Haltung durchsetzen wird, hängt auch von Dynamiken innerhalb der polnischen Regierung ab. Davon ließ sich Duda bei seinem Besuch in Berlin nichts anmerken. Stattdessen betonte er wiederholt die Rolle der deutsch-polnischen Beziehungen. Nicht nur für die beiden Nachbarn, "sondern auch für Europa und die Ukraine".

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