Energiekrise in Polen: Tausche Kohle gegen Atomkraft

    Energiekrise in Polen:Tausche Kohle gegen Atomkraft

    von Thomas Dudek
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    Was Erdgas für Deutschland ist, ist Kohle für Polen. Das Land ist abhängig - und die Preise in Folge des Kriegs stark gestiegen. Hoffnung setzt Polen nun in die Atomkraft.

    Luftaufnahme eines Kraftwerkes. Aus vielen Schornsteinen kommt Qualm heraus.
    Jedes Jahr sterben mehr als 400.000 Europäer vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung - eine der Ursachen: Kohle.
    Quelle: ZDF/Martin Boudot © Premières Lignes Télévision 2021

    In den polnischen Städten kann man den Winter riechen. Einen guten Geruch hat der Winter jedoch nicht. Denn zwischen Oder und Bug ist Kohle der wichtigste Energielieferant. Fast 80 Prozent des in Polen produzierten Stromes wird durch Kohle gewonnen. Genauer gesagt durch 51 Prozent Steinkohle und 28 Prozent Braunkohle.
    Nicht anders sieht es für viele Bürger aus. Drei Millionen polnische Haushalte heizen mit Kohle. Auch deshalb, weil viele von ihnen sich einen Umbau nicht leisten können. Was man in den polnischen Städten aufgrund der Luftqualität, die im Winter zu den schlechtesten in Europa gehört, merkt.

    Heizen mit Kohle ist unbezhalbar geworden

    Doch dieser Winter könnte in Polen zu einer noch schlechteren Luftqualität führen, denn es steht zu befürchten, dass viele Haushalte in den nächsten kalten Monaten so einige Sachen in den Heizofen werfen werden, die eigentlich nicht verbrannt werden sollten. Wozu sie jedoch aber durchaus den Segen von Jarosław Kaczyński haben, dem Vorsitzenden der in Polen regierenden PiS:

    Man muss im Moment alles verbrennen, außer Autoreifen. Polen muss sich ja irgendwie aufwärmen.

    Jarosław Kaczyński, PiS-Vorsitzender

    Das sagte er bereits im September und reagierte so auf die in den letzten Monaten gestiegenen Kohlepreise. Während im vergangenen Jahr eine Tonne Steinkohle noch 960 Zloty kostete, beim heutigen Wechselkurs 205 Euro, waren es im Herbst 3.600 Zloty. Was in Polen nicht nur die Energiepreise in die Höhe steigen ließ, sondern für viele Familien das Heizen auch schlicht unbezahlbar machte.
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    Polen ist abhängig von russischer Kohle

    Wie auch in Deutschland sind die in Polen gestiegenen Energiepreise ein Ergebnis des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Doch während man sich hierzulande abhängig machte vom russischen Gas, war es im Nachbarland die russische Kohle. Von den 10 Millionen Tonnen Kohle, die Polen 2021 importierte, stammten sechs Millionen Tonnen aus Russland. Seitdem Frühjahr wird russische Kohle jedoch sanktioniert.
    Um die Energiekrise für die Bevölkerung erträglich zu machen, hat die nationalkonservative Regierung bereits im Juni erlaubt, dass Bürger für den eigenen Bedarf Reisig und Kleinhölzer in den Wäldern sammeln dürfen. Zudem folgten auch mehrere milliardenschwere Subventionsprogramme, welche die Bürger stützen sollten.
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    Der Preisdeckel für Kohle geht nach hinten los

    Auf Antrag gab es nicht nur einen Heizkostenzuschuss von ca. 650 Euro für den Kauf von Kohle, sondern auch einen Preisdeckel von 2.000 Zloty pro Tonne Kohle, die ab Januar 2023 von den Kommunen an die Bürger verkauft werden. Dennoch schätzt die polnische Regierung, dass derzeit rund zwischen 600.000 und 700.000 Haushalten keine Kohle für den anstehenden Winter hat. 60 Prozent dieser Haushalte sollen jedoch erklärt haben, in diesem Winter auf Holz als Heizmittel umzusteigen.
    Doch ausgerechnet der von der Regierung beschlossene Preisdeckel für die in den letzten Monaten teuer eingekauften Kohle könnte nun zu einem Problem werden. Während im Sommer der Kohlepreis noch bei fast 380 Dollar pro Tonne lag, sind es im November 184 Euro. "Es kann sich also bald herausstellen, dass der geregelte Preis von 2.000 Zloty bald höher ist, als der auf dem Weltmarkt", sagte diese Woche der Łukasz Herbacz, Vorsitzender der Wirtschaftskammer polnischer Kohlehändler, dem Portal Money.pl.

    Das passiert, wenn die sichtbare Hand der Regierung mit der unsichtbaren Hand des Marktes ringen will.

    Łukasz Herbacz

    Mehrheit der Polen will auf Atomkraft umsteigen

    Gleichzeitig heizte die aktuelle Situation die in Polen seit Jahren andauernde Debatte über die Energiewende ein. Und diese erhofft man sich ausgerechnet von der Atomkraft. Anfang November verabschiedete die polnische Regierung einen Beschlussentwurf zum Bau des ersten Atomkraftwerks in Polen, das in Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Westinghouse 2033 in der in Pommern gelegenen Ortschaft Lubiatowo-Kopalino in Betrieb gehen soll. Kostenpunkt der neuen Anlage mit drei Reaktoren: 20 Milliarden Euro. Zudem sollen in Polen weitere Atomkraftwerke entstehen. Großer Widerstand der Bevölkerung ist nicht zu erwarten. In einer aktuellen Umfrage sprechen sich 85 Prozent der Befragten für die Atomkraft in Polen aus.    
     

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