Kein Land hat bisher mehr Menschen aus der Ukraine aufgenommen als Polen. Wie das Land die Herausforderung meistert, erklärt ein Migrationsforscher.
ZDFheute: Wie hat Polen auf die Flüchtlingswelle reagiert?
Maciej Duszczyk: Die unkoordinierte Zivilgesellschaft verband sich plötzlich in Hilfsbereitschaft. Mehrere Tausend Menschen sagten: "Wir müssen helfen, weil es Krieg gibt und die Menschen vor den russischen Bomben fliehen." Diese erste Reaktion war absolut erstaunlich. Es war auch eine sehr gute Entscheidung der Regierung, die Grenze zu öffnen, weil alle Menschen - auch diejenigen, die keinen Pass hatten - in das Hoheitsgebiet Polens eingelassen wurden und ihr Status erst später an den sogenannten Aufnahmestellen festgestellt wurde.
Aber das liegt vor allem an einer gut funktionierenden Zivilgesellschaft und der Koordination vor allem durch NGOs.
-
ZDFheute: Welche Unterstützung haben die Regierenden und Behörden organisiert?
Duszczyk: Die Bewältigung internationaler Krisen erfordert die Zusammenarbeit von vier grundlegenden Einheiten: Freiwilligen (der Zivilgesellschaft), NGOs, lokalen Regierungen (Kommunen) und der Regierung. Jeder hat hier eine bestimmte Rolle.
Im Fall der Regierung war es notwendig, ein Gesetz zur Unterstützung von Flüchtlingen zu verabschieden. Wir wissen immer noch nicht, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickeln wird, daher müssen die Regierung, die lokalen Regierungen und die Gesellschaft sehr gut auf mögliche Situationen vorbereitet sein, die eintreten werden.
-
Es kann ein Zuzug weiterer Flüchtlinge sein, aber auch die Rückkehr einiger Flüchtlinge, wenn sich die Lage dort stabilisiert. Hier bedarf es des Handelns dieser vier Akteure. Mir scheint, dass das Handeln der Regierung etwas spät kam, aber irgendwann wurde gehandelt.
ZDFheute: Mehr als 2,2 Millionen sind schon aus der Ukraine nach Polen gekommen. Wie viele davon sind geblieben?
Duszczyk: Wir müssen zwischen zwei Punkten unterscheiden. Wir haben über 2,2 Millionen Grenzübertritte. Wir haben vorübergehenden Schutz in der Europäischen Union. Diese Menschen können ohne Grenzkontrolle die polnisch-deutsche, polnisch-tschechische oder jede andere Grenze überschreiten. Wir schätzen, dass es heute etwa 1,3 Millionen Kriegsflüchtlinge in Polen gibt. Dazu kommen 800.000 von denen, die vor Ausbruch des Krieges in Polen gelebt haben.
ZDFheute: Wie ist die Lage von denjenigen Flüchtlingen, die keine Kontakte in Polen haben?
Duszczyk: Unter den Migranten der ersten Welle waren Menschen, die zu Freunden, Bekannten und Verwandten kamen - sie hatten direkten Kontakt, eine Adresse. Zwei Wochen nach der ersten Migrationswelle kamen mehrere Tausend Menschen an, die nicht wussten, wohin sie gehen sollten.
Hier haben NGOs und die Zivilgesellschaft gute Leistungen erbracht. Hier beginnt auch die Rolle des Staates, der Unterkünfte in verschiedenen Arten von vorübergehenden Aufenthaltszentren bereitstellen wird - seien es modulare Häuser oder professionelle Zelte, in denen diese Menschen leben können.
Folgende Grafik zeigt, dass Polen bisher die meisten Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen hat:
ZDFheute: Haben wir es heute in Polen mit einer humanitären Krise zu tun?
Duszczyk: Wir haben es nicht mit einer humanitären Krise zu tun. Am Anfang gab es ein Risiko, als die Hilfe auf sozialen Initiativen beruhte. Heute sehen wir, dass es viel besser verwaltet wird.
Sie wird von den Aktivitäten des Staates, der lokalen Regierungen und der Finanzierung der Aktivitäten abhängen. Die Europäische Union ist auf diesem Gebiet aktiv und wir hoffen, dass die Regierung von der Hilfe profitieren wird, die von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union selbst angeboten wird.
- Bleiben Sie auf Stand mit dem ZDFheute Update
Das Aktuellste zum Krieg in der Ukraine und weitere Nachrichten kompakt zusammengefasst als Newsletter - morgens und abends.
ZDFheute: Wie viele Menschen kann Polen eigentlich aufnehmen?
Duszczyk: 800.000 Menschen lassen sich problemlos in die polnische Gesellschaft integrieren. Es wird nicht zu Spannungen seitens der polnischen Gesellschaft kommen, möglicherweise zu einer Zurückhaltung, die jedoch mit der Zahl zusammenhängt.
ZDFheute: Erwartet sie, dass sich diese freundliche Haltung gegenüber Flüchtlingen ändert?
Duszczyk: Im Moment gibt es kein Problem mit den polnisch-ukrainischen Beziehungen. Es ist zu erwarten, dass die Spannungen zunehmen, je länger diese Krise andauert. Hier kommt dem polnischen Staat, aber auch den NGOs eine sehr wichtige Rolle zu, die den höchstwahrscheinlich auftretenden Spannungselementen in gewisser Weise entgegenwirken sollen. Sie sind in allen Migrationskrisen aufgetreten.
Es wird davon abhängen, ob der polnische Staat als solcher beteiligt ist. Wird es keine Warteschlangen mehr beim Arzt, Probleme in Ämtern oder Streit in Schulen zwischen polnischen und ukrainischen Kindern geben, wird es solche Spannungen nicht geben. Werden diese positiven Beziehungen hingegen nicht dauerhaft aufrechterhalten, kommt es zu Spannungen. Es ist derzeit sehr schwierig vorherzusagen, wie groß deren Ausmaß sein wird.
Das Interview führte Natalie Steger, Leiterin des ZDF-Studios in Warschau.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Liveblog- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.
Aktuelle Nachrichten zur Ukraine
-
Mein ZDF - Registrierung
Login mit ARD-Konto
Wenn du bereits ein ARD-Konto angelegt hast, kannst du dich damit hier einloggen.
Mein ZDF – Neues Konto anlegen
Passwort vergessen?
Hinweis: Bitte trage hier die E-Mail-Adresse ein, mit der du dich für dein ZDF-Konto registriert hast.
Uups, die Registrierung ist fehlgeschlagen
Die Aktivierung deines Accounts hat leider nicht geklappt. Möglicherweise ist der Aktivierungslink bereits abgelaufen oder es gibt gerade technische Probleme.
Nochmal versuchenUups!
Die Anmeldung ist im Moment leider nicht möglich. Bitte versuche es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.
Sie haben sich mit diesem Gerät ausgeloggt.
Sie haben sich von einem anderen Gerät aus ausgeloggt, Sie werden automatisch ausgeloggt.
Ihr Account wurde gelöscht, Sie werden automatisch ausgeloggt.
Altersprüfung durchführen?
Um Sendungen mit einer Altersbeschränkung zu jeder Tageszeit anzuschauen, kannst du jetzt eine Altersprüfung durchführen. Dafür benötigst du dein Ausweisdokument.
Hinweis!
Du wechselst in den Kinderbereich und bewegst dich mit deinem Kinderprofil weiter.

Datenschutzeinstellungen
An dieser Stelle würden wir dir gerne die Datenschutzeinstellungen anzeigen. Entweder hast du einen Ad-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiviert, welcher dies verhindert, oder deine Internetverbindung ist derzeit gestört. Falls du die Datenschutzeinstellungen sehen und bearbeiten möchtest, prüfe, ob ein Ad-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiv ist und schalte es aus. So lange werden die standardmäßigen Einstellungen bei der Nutzung der ZDFmediathek verwendet. Dies bedeutet, das die Kategorien "Erforderlich" und "Erforderliche Erfolgsmessung" zugelassen sind. Weitere Details erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.

Datenschutzeinstellungen
An dieser Stelle würden wir dir gerne die Datenschutzeinstellungen anzeigen. Möglicherweise hast du einen Ad/Script/CSS/Cookiebanner-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiviert, welcher dies verhindert. Falls du die Webseite ohne Einschränkungen nutzen möchtest, prüfe, ob ein Plugin oder ähnliches in deinem Browser aktiv ist und schalte es aus.