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Polen legt Gutachten vor : Berlin weist Reparationsforderungen zurück

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Ein Gutachten beziffert die Schäden auf 1,3 Billionen Euro: Polen will Reparationsforderungen an Deutschland wegen des Überfalls im Zweiten Weltkrieg stellen. Berlin lehnt das ab.

Deutschland sieht weiter keine Grundlage für polnische Reparationsforderungen wegen Schäden aus dem Zweiten Weltkrieg. "Die Position der Bundesregierung ist unverändert. Die Reparationsfrage ist abgeschlossen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Donnerstag. 

Polen habe schon 1953 auf weitere Reparationen verzichtet und diesen Verzicht mehrfach bestätigt. "Dies ist eine wesentliche Grundlage für die heutige Ordnung Europas. Deutschland steht politisch und moralisch zu seiner Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg", so der Sprecher weiter.

Hintergrund: Ein von Polen vorgelegtes Gutachten schätzt die von Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden im Land auf umgerechnet mehr als 1,3 Billionen Euro. Dies teilte der Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, am Donnerstag in Warschau mit. Das Gutachten wurde zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs im Königsschloss der polnischen Hauptstadt vorgestellt. 

Kaczynski: "Die Deutschen haben uns Schaden zugefügt"

Kaczynski, der als starker Mann der polnischen Politik gilt, sagte: "Die Deutschen sind in Polen eingefallen und haben uns enormen Schaden zugefügt."

Die Besatzung war unglaublich verbrecherisch, unglaublich grausam und hatte Auswirkungen, die in vielen Fällen bis heute anhalten.
Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS

Daher fordere Warschau von Berlin Reparationen. Das Gutachten gelte als Grundlage für mögliche Reparationsforderungen an Deutschland. Diese sollen nun offiziell an Deutschland gestellt werden. "Wir haben nicht nur das Gutachten erstellt, sondern wir haben auch über weitere Schritte entschieden", sagte er.

Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, nur weil es jemandem so vorkommt, als befände sich Polen in einer besonderen, radikal niedrigeren Position als andere Länder.
Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS

Er sei sich bewusst, dass es zu den Reparationen ein "langer und schwieriger Weg" sei.

Deutschland lehnt Reparationszahlungen ab

Die polnische Regierung argumentiert, eine 1953 abgegebene Erklärung Polens, nach der es keine weiteren Reparationsforderungen an Deutschland geben solle, sei auf Druck der Sowjetunion zustande gekommen. Deutschland dagegen lehnt alle Reparaturzahlungen ab und verweist auf den Zwei-Plus-Vier-Vertrag zur Wiedervereinigung und darauf, dass es nach dem Krieg Staaten des damaligen Ostblocks Kompensationen gezahlt habe. Polen habe für Gebietsverluste im Osten zudem Territorien erhalten, die vor dem Krieg zu Deutschland gehört haben.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte im Dezember die Reparationsforderungen mit einem Hinweis auf die hohen deutschen EU-Finanzzahlungen gekontert. Davon fließe ein Großteil in EU-Länder im Süden und Osten der Union.

Der Polenbeauftragte der Bundesregierung, Dietmar Nietan, nannte den Jahrestag des Kriegsbeginns einen Tag der Schuld und der Schande für Deutschland, der die Beziehungen bis heute belaste. Die von den Menschen in Polen angebotene Versöhnung sei eine Grundlage, auf der beide Seiten in eine gemeinsame Zukunft in einem geeinten Europa blicken könnten.

Oppositionsführer kritisiert Forderungen

Bereits vor Bekanntgabe des Gutachtens über die geschätzte Höhe der Weltkriegsschäden in Polen hat der Oppositionsführer und ehemalige EU-Ratspräsident Donald Tusk das Vorhaben kritisiert.

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski macht kein Geheimnis daraus, dass er mit dieser antideutschen Kampagne den Rückhalt für die Regierungspartei ausbauen will.
Donald Tusk, Oppositionsführer und ehemalige EU-Ratspräsident

Der nationalkonservativen Regierungspartei PiS gehe es dabei nicht um Reparationszahlungen von Deutschland, sondern um eine innenpolitische Kampagne, sagte Tusk. Und auch der polnische Oppositionspolitiker Grzegorz Schetyna nannte das Gutachten innenpolitisch motiviert. Polen sei auf ein gutes Verhältnis zu Deutschland angewiesen, so Schetyna.

Gutachten wurde von Parlamentskommission erarbeitet

Die nationalkonservative PiS-Regierung, die Polen seit 2015 führt, hat das Thema Entschädigungszahlungen immer wieder aufgebracht. Die PiS rief 2017 für das Gutachten eine Parlamentskommission ins Leben. Zudem gründete Polen ein Forschungsinstitut für Kriegsschäden. Nach Angaben von Arkadiusz Mularczyk, dem Leiter der Parlamentskommission, waren an dem Gutachten 30 Experten beteiligt, darunter Historiker, Wirtschaftsfachleute und Immobiliengutachter.

Der erste Band umfasst mehr als 500 Seiten und ist in neun Kapitel unterteilt - Berechnungen zu den polnischen Kriegsverlusten in den Bereichen Demografie, der wirtschaftlichen Bewertung der menschlichen Verluste sowie den materiellen Verlusten. Außerdem geht es um den Verlust von Kultur- und Kunstgütern sowie verschiedenen Arten von Finanzmitteln, Bankguthaben und Wertpapieren.

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