In der DDR sicherten Polikliniken die medizinische Versorgung einer ganzen Bevölkerung. Mit der Wende wurden sie allerdings aufgelöst. Heute erlebt das Konzept eine Renaissance.
Wenn der Mensch krank wird, muss er Ärzten und Krankenhäusern vertrauen. Doch bietet auch jedes Krankenhaus die beste Versorgung?
Die Idee der poliklinischen Gesundheitsversorgung ist älter als die DDR. Dennoch etablierte vor allem die DDR-Regierung die staatlich organisierte, fachübergreifende medizinische Versorgung von Bürgerinnen und Bürgern in Polikliniken. Das Ziel war die staatliche Gesundheitsversorgung durch ein flächendeckendes Netz.
Die gesamte fachärztliche Versorgung unter einem Dach
In den DDR-Polikliniken erhielten Patienten die gesamte ambulante medizinische Betreuung aus einer Hand. Tür an Tür praktizierten Allgemeinmediziner, Zahnärzte, Gynäkologen, Orthopäden, Hautärzte. In der DDR hatten frei praktizierende Ärzte ausgedient. Sie arbeiteten in den Behandlungszentren in Festanstellung und wurden vom Staat entlohnt.
Kliniken sollten Synergien nutzen
Das Modell sollte Vorteile für Patienten und Ärzte bieten. Patienten mussten keine längeren Wege auf sich nehmen. Die effiziente, fachübergreifende Versorgung wurde durch den engen Austausch der Fachärzte sichergestellt. Eine einzige Patientenakte ermöglichte den Ärzten zudem Zugriff auf sämtliche Patienteninformationen. Das Fachpersonal nutzte medizinische Geräte, wie Röntgengeräte, gemeinsam. Durch den Austausch konnten doppelte Untersuchungen vermieden und Kosten gespart werden.
Von Polikliniken zu Medizinischen Versorgungszentren
Mit dem Einigungsvertrag erhielten etwa 1.650 Polikliniken Bestandschutz bis 1995, sollten aber vom westdeutschen Prinzip der selbstständigen, ärztlichen Niederlassung abgelöst werden. Mit der deutschen Wiedervereinigung wählte ein Großteil der ehemals in Polikliniken angestellten Ärzte die freie Niederlassung. Viele blieben aber in den Räumlichkeiten der ehemaligen Polikliniken. So entstanden Alternativen zu den ehemaligen DDR-Polikliniken, Vorläufer der Medizinischen Versorgungszentren.
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2004 wurden unter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) die gesetzlichen Grundlagen für eine integrierte, fachübergreifende medizinische Versorgung nach Vorbild der Poliklinik geschaffen. Unter dem neuen Namen Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) wurde bundesweit die Gründung von interdisziplinären Gesundheitszentren nach Vorbild der Poliklinik ermöglicht. Darüber hinaus sollten Ärzte auch einer ambulanten Tätigkeit in Anstellung nachgehen können. Heute, 30 Jahre nach der Wende, gibt es deutschlandweit mehr als 3.000 poliklinisch aufgestellte MVZ, ein Großteil davon in den alten Bundesländern.
Umfassendere Behandlungsmöglichkeiten für Patienten
Für eine immer älter werdende Bevölkerung, mit zunehmend komplexen Krankheitsbildern, stellen die Zentren den wohnortnahen Zugang zur fachübergreifenden Versorgung sicher. In der Poliklinik von Christian Beuchel in Halle arbeiten 30 Ärztinnen und Ärzte aus 13 Fachbereichen.
Die Allgemeinärztin Dr. Gabriele Thomas schätzt neben dem Austausch mit den Kollegen vor allem die festen Arbeitszeiten und die damit bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Seit 20 Jahren ist sie in der Poliklinik Halle (Saale) beschäftigt. Aufgrund der Festanstellung entfällt für sie außerdem ein Großteil an bürokratischen Aufgaben, die von einer zentralen Verwaltung übernommen werden. "Ich bin kein Einzelkämpfer. Wenn ich zum Beispiel im Urlaub bin, habe ich Leute, die mich vertreten und ich weiß, dass meine Patienten versorgt sind. Ich verzichte sicherlich auf ein höheres Gehalt als in der freien Niederlassung, aber ich habe natürlich auch mehr Zeit, mehr Lebensqualität und auch ein besseres Familienleben“, erklärt sie.
Gerade dieser Aspekt macht ihrer Meinung nach das Modell MVZ gerade für eine junge Generation von Ärzten, die zunehmend Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance legt, attraktiv. Am Ende profitieren die Patienten und das medizinische Personal.