Politbarometer: Grüne und Union gleichauf, das hat Gründe

    ZDF-Politbarometer:Grüne und Union gleichauf: Das hat Gründe

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
    12.08.2022 | 20:02
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    Grüne und Union gleichauf bei 26 Prozent: Das gab es noch nie beim ZDF-Politbarometer. Die Kanzler-Partei SPD ist dafür nur bei 19 Prozent. Ein Grund: Die Partei wirkt zerstritten.

    Archiv: Friedrich Merz und Robert Habeck. Aufgenommen am 06.11.2015
    Friedrich Merz (rechts) und Robert Habeck belauern sich schon länger, das Foto stammt von 2015. Jetzt liegen ihre Parteien im ZDF-Politbarometer gleichauf. (Archivbild)
    Quelle: imago

    Seit Wochen gab es eine Annäherung, jetzt ziehen sie gleich: Wäre am kommenden Sonntag Bundestagswahl, hätten die Grünen und CDU/CSU die gleiche Chance, ins Kanzleramt einzuziehen. Beide Parteien bekommen nach der aktuellen Umfrage des ZDF-Politbarometers jeweils 26 Prozent. Die Partei, die derzeit den Kanzler stellt, die SPD, jedoch nur noch 19 Prozent.
    Vor gut einem Jahr waren die Sozialdemokraten noch stärkste Kraft und kamen auf 25,7 Prozent. Der Absturz hat Gründe.

    Vorteil für Grüne: In Krisen relevante Ministerien

    "Die Grünen geben sowohl in der Regierungskoalition als auch in ihrer parteiprogrammatischen Position zurzeit ein sehr klares Bild ab. Im Gegensatz zur SPD", sagt Politikwissenschaftlerin Jasmin Riedl von der Bundeswehr-Universität München. Die Grünen seien derzeit "enorm diszipliniert".

    Das Problem bei der SPD ist, dass die Befragten nicht eindeutig wissen, für was die Partei und Olaf Scholz in dieser Koalition stehen.

    Jasmin Riedl

    Den Grünen, sagt auch Marc Debus von der Universität Mannheim, wird derzeit "eine sehr hohe Problemlösungskompetenz von der Wählerschaft zugewiesen". Sie besetzen die Ministerien, die derzeit in der Ukraine-, Klima- und Energiepolitikkrise besonders wichtig sind: Außen, Klima- und Wirtschaft.

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    Und: Es wird eine "pragmatische, lernende Politik" belohnt, sagt Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen: Wer habe auf die Zeitendwende am besten reagiert? Wer argumentiert glaubwürdig und zuversichtlich? "Da schneiden die Spitzenleute der Grünen sehr gut ab, weil sie auch den kommunikativen Klimawandel beherrschen", sagt Korte.

    Die Grünen wirken als neue Macherpartei, die Ideologie gegen Regieren eingetauscht hat.

    Karl-Rudolf Korte

    SPD und FDP erschienen Korte zufolge eher, als ob sie "klassische Alimentierungs- bzw. Klientelpolitik betreiben. Das wirkt unzeitgemäß, wenn Transformation gelingen soll."

    Merz profitiert nicht von Parteihoch

    Das hat auch Auswirkungen auf die Beliebtheit der Politikerinnen und Politiker. Im ZDF-Politbarometer besetzen drei Grüne die Spitzenplätze: Robert Habeck, Annalena Baerbock und Cem Özdemir. Auf Platz vier folgt Kanzler Olaf Scholz. Der erste Unionspolitiker ist auf Platz sieben Markus Söder (CSU), als vorletzter und zweiter von CDU/CSU in den Top Ten: CDU-Parteichef Friedrich Merz.
    "Bei Merz funktioniert die Personalisierung in eine positive Richtung offensichtlich nicht", sagt Politikwissenschaftlerin Riedl. "Weder kann er sich gut darstellen und die Partei profitiert davon, noch profitiert Merz von den guten Werten der Partei." Dennoch hat die Opposition laut Korte in dieser Legislaturperiode einen strategischen Vorteil: Sie "lebt von großer Resonanz, weil sie demokratisch ist - anders als die AfD in der letzten Legislaturperiode."
    Die Union muss jedoch momentan auch nur Oppositionspolitik machen, muss keine eigenen Themen setzen. "Wäre sie in Regierungsverantwortung, hätte sie die gleiche Herausforderung wie die SPD", sagt Riedl. Mit den aktuellen Krisen müsse eben die Regierungskoalition umgehen. Mit Krisen, so Debus, "für die man in Wahlprogrammen oder Koalitionsverhandlungen noch keine Lösungen diskutieren musste". Das kratzt zuerst an ihren Zustimmungswerten.

    Umfragen immer "Momentaufnahmen"

    Allerdings: Am nächsten Sonntag sind keine Bundestagswahlen, sondern erst, läuft alles glatt, in drei Jahren. Umfragen sind "Momentaufnahmen", so Riedl. Aus dem, Bundestagswahlkampf wisse man, dass "die Einstellungen der Wählerinnen und Wähler zum Personal enorm schwanken". Auch Debus will die Zahlen "nicht überschätzen", denn mittlerweile machten Wahlkämpfe für die Entscheidung einen großen Unterschied.
    Trotzdem sind Umfragen für Parteien nicht unwichtig. Schließlich ist in zwei Monaten in Niedersachsen die nächste Landtagswahl. Und dafür kommt es auch auf eine Stimmung im Bund, auf einen allgemeinen Aufwärts- oder Abwärtstrend an.
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    Marc Debus

    Besser kein Streit

    Denn klar ist aus allen Studien, aus allen Wahlen: Streit innerhalb und zwischen den Parteien ist nie gut. "Das zahlt sich nie aus", so Riedl. "Die Leute wollen nicht, dass die Politikerinnen und Politiker sich zanken. Sie sollen ihre Aufgabe machen."

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