In Deutschland hat es im Jahr 2020 8,56 Prozent mehr politisch motivierte Straftaten gegeben. Es gebe "klare Verrohungstendenzen", erklärte Innenminister Seehofer.
Die Polizei hat im vergangenen Jahr mehr politisch motivierte Straftaten registriert als jeweils in den zehn Jahren zuvor. Wie aus der am Dienstag veröffentlichten Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) hervorgeht, stieg die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 8,56 Prozent auf insgesamt 44.692 Straftaten.
Zahlen, die Bundeninnenminister Horst Seehofer (CSU) Sorgen bereiten. Er sehe "klare Verrohungstendenzen". Die Zahlen seien "sehr beunruhigend".
Rechtsmotivierte Straftaten auf Höchststand seit Erfassung
Für das Jahr 2020 differenziert das Bundeskriminalamt zwischen Straftaten und Gewalttaten und ordnet diese sogenannten Phänomenbereichen zu.
Im Vergleich zu 2019 stiegen die Straftaten
- aus dem Phänomenbereich "rechts" um 5,65 Prozent (insgesamt gab es 23.604 Delikte)
- aus dem Phänomenbereich "links" um 11,39 Prozent (insgesamt gab es 10.971 Delikte)
- aus dem Phänomenbereich "religiöse Ideologie" um 12,24 Prozent (insgesamt gab es 477 Delikte)
Im Vergleich zu 2019 sanken die Straftaten
- aus dem Phänomenbereich "ausländische Ideologie" um 11,39 Prozent (insgesamt 1.016 Delikte)
Mit absolut 23.604 politisch motivierten Straftaten aus dem rechten Spektrum beklagt Seehofer den Höchststand seit der Erfassung der Zahlen im Jahr 2001. Die Straftaten hätten sich in dem Bereich seit Messbeginn verdoppelt. Daher bleibe er bei seiner Feststellung, "dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Sicherheit in unserem Land ist", so Seehofer.
Gleichzeitig begrüßt der Bundesinnenminister den Rückgang der Straftaten aus dem sogenannten Phänomenbereich "ausländische Ideologie.
Linksmotivierte Gewalttaten nehmen deutlich zu
Die Zahl politisch motivierter Gewalttaten stieg der Statistik zufolge um 18,8 Prozent auf 3.365 und lag damit etwa auf dem Niveau von 2018. Davon lassen sich
- dem linken Spektrum 1.526 Delikte zuordnen. Dies entspricht einem Anstieg um rund 45 Prozent.
- dem rechten Spektrum 1.092 Delikte zuordnen. Dies entspricht einem Anstieg um knapp 11 Prozent.
591 politisch motivierte Gewalttaten konnte die Polizei keinem der gängigen Phänomenbereiche zuordnen.
Mehr fremdenfeindlich motiverte Straftaten
Im Themenfeld Hasskriminalität stiegt die Anzahl an Delikten um fast 20 Prozent. Insgesamt gab es in dem Bereich 10.240 Fälle. Dabei stieg ...
- die Zahl antisemitischer Straftaten um 15,7 Prozent (319 Taten) auf 2.351.
- die Zahl fremdenfeindlicher Straftaten um 19,10 Prozent (1.511 Taten) auf 9.420.
- die Zahl "ausländerfeindlicher" Straftaten um 72,40 Prozent (2.225) auf 5.298.
- die Zahl der Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung um 0,35 auf 578.
Dabei gilt zu Beachten, dass eine Straftat verschiedenen Themenfeldern zugeordnet werden kann. Gleichzeitig kann ein Delikt aus dem Bereich der Hasskriminalität den verschiedenen Phänomenbereichen zugeordnet werden. Fast 95 Prozent der antisemitische Straftaten konnten laut BKA dem rechten Spektrum zugeordnet werden.
2020 gab es 3.559 Straftaten im Zusammenhang mit Corona
Seehofer zufolge schlagen sich auch die Auseinandersetzungen rund um die Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in der Statistik nieder. Die Demonstranten nähmen ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahr, sagte Seehofer.
Für die Sicherheitsbehörden problematisch sei aber, dass sich dort Allianzen zwischen normalen Bürgern auf der einen sowie Verschwörungstheoretikern, Impfgegnern, "Reichsbürgern" und sonstigen Extremisten aud der anderen Seite bildeten, sagte er.
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Die Bundesländer meldeten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr insgesamt 3.559 politisch motivierte Straftaten - unter anderem Körperverletzung, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und Propagandadelikte.
Die Mehrheit - knapp 60 Prozent - dieser Straftaten waren laut BKA weder rechten oder linken Gruppierungen zuzuordnen. Sie richteten sich den Angaben zufolge vor allem gegen das Gesundheitswesen, den Staat, seine Einrichtungen und Symbole, gegen die Polizei und gegen "sonstige politische Gegner". Durch die Pandemie sei "eine Polarisierung der politischen Diskussion zu beobachten", so Seehofer.
Mehr als verdoppelt hat sich gegenüber dem Vorjahr die Zahl der Straftaten, die sich gegen staatliche Einrichtungen und Symbole, Amts- und Mandatsträger richteten.
Opferverband kritisiert Unvollständigkeit der Daten
Judith Porath, Vorstand des Verbands der unabhängigen Opferberatungsstellen, sagte, die von den Polizeibehörden der Länder gemeldeten Zahlen zu rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt seien unvollständig.
Als Beispiel nannte sie eine lebensgefährliche Messerattacke auf einen jungen Algerier in Schweinfurt, die fälschlicherweise nicht als rassistischer Angriff gewertet worden sei.