Wie deutsche Parlamentarier iranische Aktivisten schützen

    Patenschaften gegen Todesurteile:Parlamentarier schützen iranische Aktivisten

    von Jasmin Astaki-Bardeh
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    Um Verurteilte im Iran vor unbemerkten Hinrichtungen zu bewahren, soll Aufmerksamkeit auf ihre Schicksale gelenkt werden - unter anderem mit politischen Patenschaften.

    Menschen protestieren gegen das iranische Regime
    Im Dezember protestierten Menschen im Iran gegen die Todesurteile, die die Gerichte dort gegen Demonstranten verhängen.
    Quelle: Reuters

    Drei Monate nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini spitzt sich die Lage im Iran weiter zu. Zigtausende Protestierende wurden bereits verhaftet, über hundert Todesurteile ausgesprochen - die beiden jungen Männer Mohsen Shekari und Madschid-Resa R. wurden wegen ihrer Teilnahme an den Protesten hingerichtet. Die meisten Angeklagten werden nach erzwungenen Geständnissen in Schauprozessen abgeurteilt - ohne Zeugen oder Anwälte.
    Damit sie nicht von der Bildfläche verschwinden, greifen die Aktivistinnen Daniela Sepehri und Mariam Claren das Prinzip der politischen Patenschaften auf.
    Die Idee:
    • Bundespolitiker*innen mit Reichweite schaffen eine Öffentlichkeit für die Fälle.
    • Sie üben Druck auf den iranischen Botschafter aus.
    • So fordern sie faire Prozessbedingungen für die Inhaftierten.
    Gemeinsam mit dem Kollektiv "Woman Life Freedom" sammeln die Aktivistinnen Informationen zu den Betroffenen, legen Listen mit Namen an und vermitteln diese weiter. Die Hilfe soll schnell und unbürokratisch sein.

    Weil eben die Menschen im Iran jetzt gerade ein Todesurteil bekommen haben, auch keine Zeit haben, auf Bürokratie zu warten.

    Daniela Sepehri, Aktivistin

    Demir: "In wenigen Stunden über eine Million Menschen erreicht"

    Knapp 210 Patenschaften wurden bisher vermittelt, täglich kommen neue hinzu. Viele Bundesabgeordnete, wie die Vizepräsidentin des deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, und die ehemalige Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, übernehmen eine Patenschaft.
    Daniela Sepehri
    Die Aufstände im Iran dauern an. Iran-Aktivistin Daniela Sepehri fordert deutlich mehr Solidarität von Deutschland - und kritisiert die Zurückhaltung der Bundesregierung.09.12.2022 | 2:06 min
    Der SPD-Abgeordnete Hakan Demir setzt sich für die Brüder Farhad und Farzad Tahazadeh aus Oshnawiye ein. Als er von der drohenden Hinrichtung seiner Schützlinge erfuhr, zögert er nicht lange: Über die sozialen Netzwerke teilt er ihre Geschichte, sendet Videobotschaften und setzt ein Schreiben an den iranischen Botschafter auf.

    In wenigen Stunden habe ich über eine Million Menschen erreicht. Und das hat zumindest erst mal dazu geführt, dass sie am nächsten Morgen nicht hingerichtet worden sind.

    Hakan Demir, SPD-Abgeordneter

    Leickert: Außenministerium und EU müssen aktiv werden

    Viele machen sich dafür stark, dass die bedrohten Iranerinnen und Iraner Zugang zu Rechtsbeistand ihrer Wahl haben. Der Iran ist Unterzeichner des IPBPR (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte). Die iranischen Bürgerinnen und Bürger haben somit Recht auf:
    • einen fairen Prozess
    • anwaltliche Betreuung
    • medizinische Versorgung
    Es sei ein Menschenrechtsthema, betont die CDU-Abgeordnete Katja Leickert, und brauche parteiübergreifendes Handeln. Auch müsse das deutsche Außenministerium und die Menschenrechtsbeauftragten der EU aktiv werden.
    Neben Patenschaften müsse "der Druck auf das Regime insgesamt erhöht werden". Aktuell seien vier Sanktionspakete auf dem Weg, doch insgesamt nicht mal 70 Einzelpersonen sanktioniert. "Auch die Revolutionsgarden müssen endlich auf die Terrorliste," so Leickert.

    Politische Patenschaften auch klares Signal an Regime im Iran

    Einige Abgeordnete, wie Schahina Gambir und Robin Wagener von den Grünen, fordern ebenfalls stärkere Sanktionen. Gleichzeitig sprachen sie Befürchtungen aus, dass die Sichtbarkeit den Betroffenen schaden könnte - wenn der Fall einträte, dass sich das Regime durch den Konfrontationskurs provoziert fühlte.
    Politische Patenschaften gibt es schon eine ganze Weile - auch für Länder wie China, Nicaragua oder Saudi-Arabien. Der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Martin Lessenthin, weist auf die Bedeutung der Mitwirkung der Paten in der Menschenrechtsarbeit hin.

    Mindestens acht Inhaftierte auf Kaution entlassen

    Denn ganz konkret können sie Haftentlassungen bewirken:

    Diktatorische Staaten wie der Iran wollen nicht, dass man in ihre Gefängnisse schaut und in ihre politischen Hinterzimmer. Genau das tun aber politische Paten.

    Martin Lessenthin, IGFM

    Gerade die Skandalisierung, die durch politische Patenschaften betrieben wird, verursache einen Imageverlust für das Regime, betont der Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad. Es sende ein politisches Signal nach Teheran, wenn sich deutsche Abgeordnete solidarisieren.
    Bisher wurden mindestens acht Inhaftierte auf Kaution entlassen und viele aus der Isolationshaft in andere Zellen verlegt. Ob das ausschließlich an dem Engagement der Paten liegt, ist unklar. Fest steht: Der Schutz der Öffentlichkeit ist ein erprobtes und wirkungsvolles Instrument.
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