Richard David Precht und Harald Welzer kritisieren in ihrem neuen Buch die deutschen Leitmedien und ihre Berichterstattung zum Ukraine-Krieg. Doch sie bekommen Gegenwind.
Die Sendung von Markus Lanz am Donnerstagabend glich einer Podiumsdiskussion auf Kohlen. Ausgangslage: Philosoph Richard David Precht und Sozialpsychologe Harald Welzer auf der einen Seite. Robin Alexander von der "Welt" und Melanie Amann vom "Spiegel" auf der anderen.
Anlass: Das Buch "Die vierte Gewalt", das Precht und Welzer veröffentlicht haben und darin teils scharfe Kritik an deutschen Leitmedien üben. Der zentrale Vorwurf, der auch auf dem Buchcover zu lesen ist: "Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist". Zum Beispiel in Bezug auf die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine und das Zögern des Bundeskanzlers in dieser Frage.
Über die Rolle der Medien im Allgemeinen, die Bedeutung von Social Media für den Journalismus und die Wirkungsmacht und Verantwortung des Politikjournalismus
Regierungs-Narrativ nacherzählt?
Eine zentrale Rolle spielte in der Folge immer wieder die unterschiedliche Interpretation von Gesagtem und Geschriebenem – eine Eskalationsspirale.
Ein Beispiel: "Ein Vorwurf des Buches ist: Wir plappern der Regierung nach, wir sind zu nah an der Regierung", setzte Alexander an. Precht fuhr dazwischen: "Nö, steht nicht im Buch." Replik des stellvertretenden "Welt"-Chefredakteurs:
Dann habe er wohl das falsche Buch gelesen. Precht erwiderte scharf: Im Buch stehe, dass sich sowohl Journalisten als auch Politiker innerhalb sehr kurzer Zeit in der unübersichtlichen Situation des Kriegsausbruchs auf ein Narrativ geeinigt hätten.
Einschub: Auf Seite 33 ihres Buchs schreiben Precht und Welzer von einer "konzertierten Übernahme des Regierungs-Narrativs durch sämtliche Leitmedien".
Bei "Markus Lanz" diskutiert Philosoph Precht über das Vertrauen der Deutschen in die Printmedien und dessen Auswirkungen für die Demokratie.
Harte Kritik am Buch von Precht und Welzer
Weiter im Sendungskontext zog Alexander einen Zettel aus seinem Sakko. Er habe das getan, was Precht und Welzer nicht getan hätten, und sich mittags mal angeschaut, was allein die "Welt" denn so veröffentlicht habe.
"12.3.: Waffenstillstand je eher desto besser (…) 13.4.: Selenskyj sollte den Bogen nicht überspannen (…) 26.4.: Die Ukraine zum demokratischen Musterstaat zu erklären, ist eine Illusion. (…) 3.5.: Nicht jeder Skeptiker ist ein Putin-Versteher – gegen Waffenlieferungen." Alexander richtete sich an Precht und Welzer:
"Sie haben von 1.000 Artikeln eine Ausnahme gefunden und sind auch noch stolz drauf", erwiderte Precht. "Jetzt haben wir den Herausgeber, den Politikchef und unseren besten Intellektuellen", nannte Alexander die Autoren der eben zitierten Artikel, "wen soll ich denn noch ins Feld führen?"
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Eine Vorlage, die auch Amann aufnahm und kritisierte, dass weder Precht noch Welzer ihre Behauptungen auch mit Daten stützen könnten. "Die Leute, die das Buch jetzt kaufen, bekommen die Behauptung ohne die Recherche."
Streitpunkt Waffenlieferungen
Precht hielt dagegen: "Glauben Sie ernsthaft, dass ausgeglichen in den deutschen Leitmedien die Position der Zweifler an den Waffenlieferungen genauso breit zu Wort gekommen ist, wie die der Befürworter?"
Amann: "Man hätte sich gewünscht, dass Sie dieser Frage für die Recherche zu Ihrem Buch einfach mal nachgegangen wären." Sie fügte an: "Es tut mir leid, Sie argumentieren aus dem Bauch raus." Sie verwies nochmals auf die vier Beispiele aus der "Welt", die Alexander zuvor aufgezählt hatte.
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Untersuchung zu Thesen im Dezember
Precht rief: "Ja, vier zu 500! Ein eindrucksvoller Beweis für ausgeglichene Berichterstattung." "Ja, aber 500 ist dann eine erfundene Zahl", fiel ihm Amann ins Wort. "Oder 2000 oder was auch immer", führte Precht zu Ende, ohne darauf einzugehen. Amann: "So können Sie mit Zahlen umgehen, aber dann ist es halt nicht faktentreu."
Precht und Welzer verwiesen darauf, dass im Dezember auch eine Untersuchung zu ihren Thesen veröffentlicht werden soll. Für die Diskussion am Donnerstagabend konnte das aber keine weitere Grundlage sein. Die Debatte blieb oberflächlich und geprägt von persönlichen Unterstellungen.
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