Der Ukraine-Krieg wirft neues Licht auf die Propaganda-Strategien des Kremls. Welche Taktiken Russland zur Meinungsmanipulation einsetzt, erklären Experten an aktuellen Beispielen.
Egal, ob es um die Gräueltaten an Zivilisten in Butscha oder den Grund für die Invasion in die Ukraine geht, der Kreml kommuniziert alternative Erzählungen zur Faktenlage - mit Halbwahrheiten und falschen Informationen.
Prof. Florian Töpfl von der Universität Passau erforscht dieses Vorgehen der russischen Regierung schon seit rund zehn Jahren: "Man arbeitet durchweg mit Fälschungen, auf allen Ebenen und hat keine Bedenken, Falschinformationen zu verbreiten."
Wie das ZDF in seiner Berichterstattung zum Ukraine-Krieg damit umgeht, erklären wir hier:
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Das gilt nicht nur für staatliche Medienunternehmen oder gesteuerte Trolle in den sozialen Medien, sondern auch für die Äußerungen von Spitzenpolitikern und anderen staatlichen Stellen wie Ministerien oder Botschaften.
Laut der Analystin Julia Smirnova vom Institute for Strategic Dialogue werden seit Beginn des Ukraine-Kriegs alle verfügbaren Ressourcen der Propaganda-Maschinerie der russischen Regierung aufgewendet.
Welche Taktiken der Desinformation setzt die Putin-Regierung ein?
Taktik 1: Verwirrung stiften, um Vertrauen zu erschüttern
Eine Taktik der russischen Staatspropaganda nennt Forscher Florian Töpfl schlicht "Verwirrung stiften".
Das Ziel: Das Publikum so verwirren, dass es grundsätzlich das Vertrauen in Informationen verliert. Deutlich zu erkennen war diese Verwirrungs-Strategie bei der Bombardierung einer Klinik in Mariupol durch russische Truppen am 9. März 2022. Während Russlands Außenminister Sergej Lawrow den Angriff mit der vorgeblichen Anwesenheit rechtsradikaler, ukrainischer Kämpfer rechtfertigte, leugnete der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, die Attacke.
Der russische Botschafter im UN-Sicherheitsrat wiederum warf der Ukraine vor, die Bilder und Videos verletzter Menschen mit Schauspielern inszeniert zu haben.
Taktik 2: Nachrichten mit gefälschten Beweisen als "Faktenchecks" verbreiten
Kanäle der russischen Propaganda wie der teilstaatliche Fernsehsender "Erster Kanal" mit seiner Sendung "Anti-Fake" kopieren seit Kriegsbeginn verstärkt Faktenchecks, um zum Beispiel Vorwürfe von Kriegsverbrechen gegen die russische Armee zu entkräften. "Sie übernehmen die Sprache von unabhängigen Faktenchecks und versuchen dadurch, Seriosität auszustrahlen", sagt Julia Smirnova.
Wie wirkt Russlands Propaganda?
Diese Taktik finde im Gegensatz zur Verwirrungsstrategie, die auch schon beim Abschuss der Passagiermaschine MH17 oder der Vergiftung des Ex-Spions Sergej Skripal eingesetzt wurde, seit Beginn des Ukraine-Krieges stärker als früher statt.
Taktik 3: Wahre Informationen mit gezielten Falschmeldungen vermischen
Diese Strategie wurde bei den durch zahlreiche Quellen belegten Tötungen von Zivilisten in Butscha angewendet: Das russische Verteidigungsministerium ließ in einer Erklärung verlauten, dass der Bürgermeister von Butscha, Anatoly Fedoruk, in einem Video am 31. März bestätigt habe, dass sich keine russischen Truppen mehr in der Stadt aufhalten würden.
Von Leichen Einheimischer sei dabei keine Rede gewesen, was als Beleg für eine angebliche Inszenierung der Taten herangezogen wird. Dass der Bürgermeister gegenüber der Nachrichtenagentur AP bereits am 7. März über Leichen in den Straßen Butschas berichtete und auch später immer wieder russische Gewalttaten anprangerte, wird verschwiegen.
Taktik 4: "Whataboutism" - Bei Anschuldigungen gegen sich selbst, auf Fehler anderer hinweisen
Von eigenen Fehlern abzulenken, ist eine schon lange genutzte Strategie, auch vom Kreml. Beim sogenannten "Whataboutism" wird auf Anschuldigungen mit Gegenfragen reagiert und auf (vermeintliche) Fehler anderer hingewiesen. "Die russische Regierung wirft dem Westen beispielsweise vor, gegen die Werte zu verstoßen, für die er Russland eigentlich anprangert", sagt Florian Töpfl.
Das habe man unter anderem bei den zahlreichen Festnahmen während Anti-Kriegs-Demonstrationen in Russland beobachten können, bei denen dann als Konter auf Polizeigewalt in westlichen Ländern verwiesen wurde. Die Taktik des "Whataboutism" sei schon seit dem Kalten Krieg bekannt, sagt die Analystin Smirnova.
Wie kann man sich vor Propaganda schützen?
Eine effektive Maßnahme zum Eigenschutz vor staatlicher Propaganda ist es, sich über echte Faktenchecks unabhängiger Stellen und seriöse Quellen zu informieren, welche Falschinformationen aktuell gestreut werden, erklärt Julia Smirnova. "Wenn man schon im Vorfeld von kursierenden Fakes gehört hat, kann man sie leichter als solche erkennen."
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In den Sozialen Netzwerken werden millionenfach Videos des Krieges in der Ukraine geteilt - häufig auch Fake-Videos. ZDFheute zeigt, worauf Sie achten müssen.
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