Russischer Meinungsforscher: Misstrauen gegen Krieg wächst
Russischer Meinungsforscher:Gudkow: Misstrauen gegen Krieg wächst
21.09.2022 | 10:13
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Aggressive Propaganda, Zensur, Lügen: Laut dem russischen Meinungsforscher Lew Gudkow hat die russische Bevölkerung kaum eine Chance, sich über den Ukraine-Krieg zu informieren.
In Russland herrsche Zensur und aggressive Propaganda und "nur vier bis zehn Prozent der Bevölkerung hätten Zugang zu alternativen Informationsquellen", so der russische Soziologe Lew Gudkow.21.09.2022 | 8:00 min
Informationen zum Krieg in der Ukraine gibt es in Russland wenig. "Russen bekommen kaum Informationen über die Geschehnisse in der Ukraine", sagt Lew Gudkow, Direktor des letzten freien Meinungsforschungsinstituts in Russland, im ZDF-Morgenmagazin. Zensur, aggressive Propaganda und Lügen würden es den Menschen erschweren, sich unabhängig zu informieren.
Die russische Bevölkerung hat kein klares Bild darüber, was dort passiert.
Lew Gudkow, Direktor Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum
"De facto haben wir es mit einem unbekannten Krieg zu tun." Lediglich vier bis zehn Prozent der Leute hätten eine klare Vorstellung davon, was in der Ukraine geschehe.
Es ist die größte Desinformations-Kampagne bisher: Nachgemachte Medienseiten verbreiten pro-russische Propaganda, hunderte Fake-Accounts teilen sie massenhaft in Sozialen Medien.
von Oliver Klein
Diese Menschen seien in der Lage, um die Zensur sowie die nationalen Sperren herumzurecherchieren, und hätten Zugang zu alternativen Informationsquellen.
Deshalb sind circa 15 Prozent der Bevölkerung streng gegen den Krieg.
Lew Gudkow, Direktor Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum
Gudkow: Viel Angst im Land
Den Informationen zufolge, die in Russland über den Krieg verbreitet werden, kämpfe Russland nicht gegen die Ukraine sondern gegen den ganzen Westen, gibt Gudkow weiter zu denken. Das mache es für die russische Gesellschaft nicht einfacher. Es gebe viel Angst im Land.
Die Menschen wollen nicht direkt am Krieg beteiligt sein.
Lew Gudkow, Direktor Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum
Medienexperte Andre Wolf entlarvt seit Jahren Fake News. Er sagt: So eine große Desinformationskampagne wie die aktuelle pro-russische in Sozialen Medien habe er noch nie gesehen.
Interview
Misstrauen gegenüber Propaganda wächst
In den letzten Wochen werde der offiziellen Propaganda aber immer mehr misstraut. Durch das Fehlen alternativer Informationskanäle entstehe somit "eine Art unklarer Zustand": "Der Blitzkrieg war ein Fiasko", sagt Gudkow.
Im Vordergrund stehen die erklärten Ziele der Verteidigung der Bevölkerung im Donbass und der Krieg gegen den Westen.
Lew Gudkow, Direktor Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum
Alla Pugatschowa ist seit den 70ern ein Popstar in Russland. Mit politischen Aussagen hielt sie sich zurück - bisher. Ihre Kritik am Ukraine-Krieg könnte Putin gefährlich werden.
Die Kritik des russischen Popstars Alla Pugatschowa habe die Machthaber in Russland schockiert. Die Aussagen wären auch in den sozialen Medien viel diskutiert worden.
Ich würde sagen: Das ist die zunehmende Haltung gegen den Krieg. Aber eine politische Reaktion werden wir darauf nicht sehen.
Lew Gudkow, Direktor Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum
Pugatschowa hatte Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine scharf kritisiert. Da das Justizministerium ihren Ehemann Maxim Galkin als "Auslandsagenten" auf eine Schwarze Liste gesetzt habe, hatte sie auf ihrem Instagram-Account darum gebeten, ebenfalls zu den Auslandsagenten gezählt zu werden.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.