Prozesse und Urteile in Deutschland wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien: ein Überblick, warum das mit rechten Dingen zugeht.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit: So lautet die Anklage gegen Alaa M. Dem syrischen Arzt wird vorgeworfen, 2011 und 2012 in einem syrischen Militärkrankenhaus und einem Gefängnis des Geheimdienstes Gefangene gefoltert und einen von ihnen vorsätzlich getötet zu haben.
Er habe männliche Genitalien gequetscht und angezündet, auf bestehende Knochenbrüche getreten und Knochenfrakturen ohne ausreichende Narkose korrigiert. Einem Häftling habe er eine Substanz in den Oberarm gespritzt, woraufhin dieser innerhalb weniger Minuten verstorben sei.
So ein Prozess ist nicht der erste auf deutschem Boden: Anwar R., Mitarbeiter des Geheimdienstes und Vernehmungschef eines Gefängnisses in Syrien, hat Gefangene dort vergewaltigt, sexuell genötigt, gefoltert und getötet. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat ihn vergangene Woche zu lebenslanger Haft verurteilt.
Warum finden diese Prozesse in Deutschland statt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Der ehemalige syrische Geheimdienstmitarbeiter Anwar Raslan wurde heute vom Oberlandesgericht Koblenz zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Wann sind deutsche Gerichte zuständig?
Welches Gericht in Deutschland in einem Strafverfahren prinzipiell zuständig ist, richtet sich nach dem Tatort, dem Wohnsitz, dem Aufenthaltsort des Täters oder dem Ort seiner Verhaftung. Allgemein gilt: Wenn keiner dieser Orte in Deutschland liegt, ist Deutschland auch nicht zuständig, sondern ein anderes, ausländisches Gericht.
Was ist mit dem Internationalen Strafgerichtshof?
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ist seit 2003 für die Verfolgung besonders schwerer Straftaten wie Völkermord und Kriegsverbrechen zuständig. Er soll dazu beitragen, Lücken bei der Strafverfolgung zu schließen. Syrische Kriegsverbrecher werden dort derzeit nicht verfolgt.
Deutschland ist - wie alle Staaten der EU - dem völkerrechtlichen Vertrag beigetreten, der die rechtliche Grundlage des IStGH ist. Seine Zuständigkeit ist auf Verbrechen beschränkt, die auf dem Territorium eines Vertragsstaates oder durch einen Staatsangehörigen eines Vertragsstaates begangen wurden. Zusätzlich darf der IStGH auch dann tätig werden, wenn der UN-Sicherheitsrat den IStGH dazu auffordert.
ZDF-Reporter recherchierten in Syrien, wie Militärunternehmen Kämpfer für Söldnereinsätze anwerben.
Syrien ist kein Mitgliedsstaat. Und es gibt keine Aufforderung des UN-Sicherheitsrates. Russland, das nach wie vor hinter dem Assad-Regime steht, hat Veto eingelegt.
Was ist das Weltrechtsprinzip?
Dass sich nun erneut ein Täter, der Gräueltaten in Syrien an syrischen Gefangenen begangen haben soll, in Deutschland rechtfertigen muss, liegt am Weltrechtsprinzip.
Das Weltrechtsprinzip macht es möglich, Täter von besonders gravierenden Straftaten, die die Welt als Gemeinschaft betreffen, überall zur Verantwortung zu ziehen. Ganz gleich, wo die Taten verübt wurden und unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Handelnden. In Deutschland gilt das Weltrechtsprinzip seit 2002, die entsprechenden Vorschriften finden sich im Völkerstrafgesetzbuch.
Wann wird das Weltrechtsprinzip in Deutschland angewandt?
In Deutschland gilt das Weltrechtsprinzip vor allem für Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Da daraus theoretisch Hunderte von Verfahren resultieren könnten, wird in der Praxis oft ein Bezug zu Deutschland verlangt, um eine Überlastung der Gerichte zu verhindern. Sowohl Anwar R. als auch Alaa M. wurden in Deutschland von mutmaßlichen Opfern erkannt. Dadurch war der Bezug hergestellt.
Wann fiel das erste Urteil in Deutschland auf dieser Grundlage?
Das erste Urteil erging 2014 am OLG Frankfurt gegen einen ehemaligen Bürgermeister aus Ruanda. Er wurde wegen Beihilfe zum Völkermord im Jahr 1994 zu 14 Jahren Haft verurteilt. Doch das Urteil wurde später vom Bundesgerichtshof gekippt. Nach erneuter Verhandlung wurde der Angeklagte am 29. Dezember 2015 zu lebenslanger Haft wegen Völkermords verurteilt.
Henriette Mandl arbeitet als Rechtsreferendarin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Ein US-Drohnenangriff hat in Syrien eine ganze Familie verletzt. Dabei galt der Angriff jemand ganz anderem - einem Al-Kaida-Kämpfer.