Jahrelang warben Politiker von links bis rechts um Verständnis für Putin. Einige AfD- und Linken-Politiker ergreifen sogar noch nach Kriegsbeginn Partei für die russische Führung.
Deutsche Politiker und ihre Nähe zu Russland
Als der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj am 17. März 2022 seine in den Bundestag übertragene Rede beendete, gab es stehenden Applaus des gesamten Plenums. Nur ein Abgeordneter blieb zunächst sitzen und rührte keine Hand: Robert Farle von der AfD. In der rechten Partei sind Putin-Freunde allgegenwärtig.
AfD-Rückendeckung für Putin
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine warf Farle den deutschen Medien auf seinem Youtube-Kanal einen "Propagandakrieg" gegen Putin vor. Der AfD-Abgeordnete in Richtung der Medienschaffenden:
Putin als alleinigen Sündenbock und Kriegstreiber darzustellen, reiche als Erklärung für diesen komplexen Konflikt nicht aus. Farle kritisiert "seit Jahren betriebene Putin-Hetze in den westlichen Staatsmedien".
Auch AfD-Chef Tino Chrupalla nahm Putin nach Kriegsbeginn in Schutz. "Es darf in diesen Tagen aber nicht unser Ziel sein, den einen Schuldigen auszumachen", sagte Chrupalla in der Bundestagsdebatte am 27. Februar 2022. Man dürfe Russlands Beitrag für Deutschland und Europa eben nicht vergessen.
AfD-Politiker als Wahlbeobachter 2018 in Russland
Im März 2018 reisten AfD-Politiker anlässlich der Präsidentenwahl nach Russland, auf Einladung des Kremls. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier engagierte sich mit weiteren AfD-Parlamentariern als Wahlbeobachter und twitterte:
"Wir machen uns ein Bild davon, dass alles fair und demokratisch abläuft und sind vor Ort." Diese Aufgabe hatten aber nicht die vom Kreml eingeladenen AfD-Politiker - sondern unabhängige Wahlbeobachter der OSZE, die vor der Wahl massive Grundrechtseinschränkungen, Druck auf Wählerinnen und Wähler und den Ausschluss aussichtsreicher Oppositionskandidaten beklagten.
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AfD-Politiker Lindemann: Westen und Ukraine haben eskaliert
Im selben Jahr fungierte AfD-Politiker Gunnar Lindemann, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, als Wahlbeobachter im Donbass. Die ostukrainische Region war 2014 von prorussischen Separatisten besetzt worden, die nun manipulierte Wahlen unter Ausschluss von Oppositionspolitikern veranstalteten.
Die Wahl sei "vernünftig und ordnungsgemäß abgelaufen", sagte Lindemann dem ZDF. Zum Krieg in der Ukraine sieht er wie AfD-Chef Chrupalla eine Schuld beider Seiten:
Die gleichgeschalteten russischen Medien nutzen die Unterstützung durch westliche Politiker für ihre Propaganda: "Der russische Einmarsch in die Ukraine markiert das Ende des Weltmonopols mit den USA als alleinige Hegemonialmacht", zitiert das Onlinemedium "Eurasia Daily" den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron.
Nach 30 Jahren kehre Russland auf die Weltarena der Großmächte zurück, so Bystron in der russischen Presse. Russische Medien bieten AfD-Politikern häufig eine Bühne, die sie als Hinterbänkler im Westen nicht hätten. Zweifel an der Demokratie in Deutschland, wie der AfD-Bundesabgeordnete Eugen Schmidt jüngst in der Komsomolskaja Prawda äußerte, sind in Putins Russland willkommen.
Linken-Politiker: Nato ist mitverantwortlich
Auch bei der Linken wiegelten Politikerinnen wie Sahra Wagenknecht kurz vor Kriegsbeginn ab. Vier Tage vor Kriegsbeginn sagte Wagenknecht noch:
Ihre Fraktionskollegin Sevim Dagdelen erklärte, die Invasionspläne seien eine Erfindung des US-Geheimdienstes. "Das ist eine Informationspolitik, die uns dahin leiten soll zu glauben, dass der Russe den Krieg will und der Aggressor ist", so Dagdelen auf einer Friedensdemonstration am 18. Februar 2022.
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Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linken, reiste nach der Besetzung des Donbass durch prorussische Milizen in die Ostukraine und ließ sich mit den Separatistenführern der selbsternannten Volksrepublik Donezk fotografieren. Noch am 12. Februar 2022 stellte Hunko die Ukraine als Aggressor gegen die Separatisten dar:
"Sollte es zu einer Militäroffensive der ukrainischen Truppen auf die nicht anerkannten Volksrepubliken kommen, würde das russische Militär reagieren." Nach dem russischen Einmarsch rechtfertigt sich Hunko. Zwar trage Putin die Verantwortung für den Einmarsch, "aber das Scheitern eines gesamteuropäischen Sicherheitssystems und stattdessen die Nato immer weiter auszudehnen, das ist in der Tat eine Mitverantwortung."
Gysi: Entsetzen über "Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges"
Gregor Gysi, der frühere Partei- und Fraktionschef der Linken, wandte sich in einem Brief scharf gegen die Putin-Versteher wie Wagenknecht, Hunko und Dagdelen. Er sei entsetzt über "die völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges, der Toten, der Verletzten und dem Leid", schreibt Gysi.
Jetzt wandte Gysi sich an das russische Volk und forderte in einer Videobotschaft auf Russisch, Widerstand gegen Putins Krieg zu leisten: "Ich bitte Sie, ächten Sie diesen Krieg!" Der Krieg in der Ukraine hat die Linke tief gespalten.
"Was in jedem Krieg als erstes stirbt, ist die Wahrheit", so Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Linken, zu Putins Rechtfertigungen seines militärischen Angriffs.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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