Russlands Präsident hat die Abkommen zur Annexion von vier Regionen in der Ukraine unterzeichnet - und den Kampf mit dem Westen beschworen. Was bedeutet das für den Kriegsverlauf?
Der Kreml-Chef verkündete heute die offizielle Annexion der vier besetzten ukrainischen Regionen. Das russische Militär kontrolliert die besetzten Gebiete allerdings nur zum Teil.
Wladimir Putin hat die von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine zu russischem Staatsgebiet erklärt. Damit sollen die Regionen Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk an die Russische Föderation annektiert werden. Die erzwungene Eingliederung soll am Dienstag vom russischen Parlament abgeschlossen werden.
Auch wenn diese Annexionen international nicht anerkannt werden, schafft Moskau damit Fakten, die den Verlauf des Krieges beeinflussen werden.
"Die Leute haben ihre Wahl getroffen", sagte Putin mit Blick auf Scheinreferenden, die die russischen Besatzer bis zum vergangenen Dienstag in den vier Gebieten abgehalten hatten.
Putin hat die Annexion der vier besetzten ukrainischen Gebiete offiziell verkündet. ZDF-Korrespondent Christian Semm berichtet aus Moskau, Torge Bode über die Lage in der Ukraine.
Putin bezieht sich auf UN-Charta und bietet Verhandlungen an
In seiner Rede rechtfertigt Putin das russische Vorgehen mit Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen:
Mit keinem Wort erwähnt er dabei, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ein schwerer Bruch genau dieser Charta ist und auch die Scheinreferenden nicht frei und unabhängig durchgeführt wurden.
Wieder schaut die ganze Welt nach Russland, auf Putin. In einer feierlichen Zeremonie verkündet er den erzwungenen Anschluss ukrainischer Gebiete im Osten des Landes an Russland.
Direkt im Anschluss rief Putin die Ukraine dazu auf, die Waffen niederzulegen und über ein Ende des Kriegs zu verhandeln. Die annektierten Gebiete seien jedoch unantastbar:
Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sieht jedoch keine wirkliche Verhandlungsbereitschaft im Kreml. Putin sei aktuell in einer Position strategischer Schwäche. Auf dem Schlachtfeld verliert er jeden Tag mehr Gebiete.
Putin annektiert Gebiete, die er nicht kontrolliert
Die erzwungene Eingliederung geschieht in einer Phase, in der das ukrainische Militär tatsächlich einen Erfolg nach dem anderen vermeldet. In der Oblast (slawisch: "Gebiet") Donezk, steht Russland kurz davor, die strategisch wichtige Stadt Lyman zu verlieren. Ukrainische Truppen sollen dort mehrere Tausend russische Soldaten eingekreist haben.
Ähnliches bereitet die ukrainische Armee in der Region Cherson vor. Laut dem Sicherheitsexperten und Leiter des Leitungsstabs im Bundesministerium der Verteidigung, Nico Lange, könnten dort bis zu 20.000 russische Soldaten eingeschlossen werden oder ihnen zumindest die Versorgungswege gekappt werden.
Das zeigt, dass Putin die von ihm annektierten Gebiete keineswegs kontrolliert. Es findet also schon zum Zeitpunkt der Annexion ein Angriff auf diese Gebiete statt, der dadurch zu einem Angriff auf russisches Staatsgebiet wird.
- Ukraine: militärische Erfolge im Donbass
Während Putin die offizielle Annexion der vier besetzten ukrainischen Gebiete wie einen Sieg feiert, meldet die Ukraine einen militärischen Vormarsch im Donbass.
Welche Auswirkungen hat das auf den Krieg?
Lange sieht erstmal keine direkten Auswirkungen der Annexion auf den Kriegsverlauf:
Diese Einschätzung teilt auch Stefan Meister: Die Annexion sei teilweise auch ein innenpolitischer Schachzug. Damit könne zum Beispiel die Mobilisierung der Bevölkerung anders vermittelt werden. Der Kreml hoffe eventuell, dass es einen psychologischen Effekt für die Truppen und deren Angehörigen, hat, wenn nun russischer Boden verteidigt wird und nicht das Nachbarland angegriffen.
Steigt mit der Annexion die Gefahr eines Nuklearschlags?
In einer Rede vergangene Woche drohte Putin indirekt mit dem Einsatz von Atomwaffen, wenn die "territoriale Integrität" Russlands bedroht werde. Diese Logik könnte nach der Annexion auch für die besetzten ukrainischen Gebiete gelten. Auf diese Debatte angesprochen, forderte Kremlsprecher Dmitri Peskow, man solle die russische Militärdoktrin genauer lesen. In der Doktrin steht, dass ein Atomwaffeneinsatz möglich ist, wenn durch einen Angriff mit konventionellen Waffen "die Existenz Russlands selbst" auf dem Spiel steht.
Militärexperte Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr hält das Risiko eines Atomschlags für "gestiegen, aber ganz sicher nicht massiv."
Den Verweis auf die russische Militärdoktrin hält er für nebensächlich:
Auch Stefan Meister hält es für unwahrscheinlich, dass Putin den Einsatz von Atomwaffen befiehlt. Putin sei definitiv in einer "Phase er Eskalation", aber ein Nuklearschlag würde ihm im Kampf um die Ostukraine auch keinen Vorteil verschaffen.
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