Was will der russische Machthaber mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine bezwecken, wird der Kreml-Chef gar Atomwaffen einsetzen? Russland- und Putin-Expertin Gloger schätzt ein.
Die Putin-Expertin Katja Gloger im Interview.
ZDF: Was bezweckt Wladimir Putin mit diesem Angriffskrieg und warum hält er ihn offenbar für völlig legitim?
Katja Gloger: In diesen Tagen erinnern wir uns ja oft daran, was Angela Merkel vor ein paar Jahren gesagt hat: Wladimir Putin würde in einer anderen Welt leben. Das scheint wirklich so zu sein. Eine Realität, die er uns allen nun erbarmungslos und skrupellos aufzwingt.
Um damit dann am Ende auch ein Veto-Recht über die Außenpolitik osteuropäischer - und damit westlicher Staaten - zu haben.
Dem liegt aber eine Weltsicht zu Grunde, die sich als Gegensatz zum Westen definiert. Eine konfrontative, eine misstrauische Weltsicht, die in Verschwörungsmythen wabert.
Putin hat das erklärte Ziel auf einer heiligen historischen Mission zu sein, um das "alte Russland", das große Imperium mit seinen ganz eigenen Werten, die ganz anders sind als die des vermeintlich so dekadenten Westens, wiederherzustellen.
- CIA-Profil: Inside Putins Kopf
Die CIA lässt detaillierte Persönlichkeitsprofile von Machthabern erstellen, um deren Verhalten einordnen zu können. Auch zu Präsident Putin gibt es solche Einschätzungen.
ZDF: Gibt es denn aus Ihrer Sicht Wege Putin zu erreichen und den Krieg zu stoppen?
Gloger: Es gleicht in diesen Tagen fast einer Quadratur des Kreises. All das, was uns erreicht - und uns erreicht ja nicht viel aus dem Kreml - ist, dass er fest entschlossen ist, um nahezu jeden Preis den militärischen Sieg in der Ukraine zu erringen.
Der französische Präsident Macron macht es, der Bundeskanzler hat es getan - so klein die Hoffnung auch sein mag, ihn dazu zu bewegen, wenigstens auf ernsthafte Gespräche zu einem Waffenstillstand einzugehen.
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ZDF: Putin ist de facto schon über 20 Jahre an der Macht. Sehen Sie Anzeichen dafür, dass er mit diesem Krieg seine eigene Position gefährdet?
Gloger: Er antwortet in seinem eigenen Land mit immer zunehmenden massiven Repressionen. Das jüngste Mediengesetz ist ein Beispiel dafür, all die Verhaftungen friedlicher Demonstranten. Er hat seit Jahren eine Nationalgarde mit mehreren Hunderttausend Mann, die allein ihm unterstellt ist. Dass dieser Krieg seine direkte Macht gefährdet, scheint im Moment wenig möglich.
Täglich wächst der Druck des Kremls auf die freie Presse und Demonstrierende. Der Protest wird kreativer.
ZDF: Was wird denn Putin tun, wenn es in diesem Krieg schlecht für ihn läuft und er sich in die Enge gedrängt fühlt? Ist der Einsatz von Atomwaffen in seiner Logik auch legitim?
Gloger: Die russische Sicherheitsstrategie, soweit wir das nachvollziehen können, sieht durchaus auch den Einsatz taktischer Atomwaffen vor. Angesichts dieses Risikos und angesichts der Bereitschaft Putins, sehr weit zu gehen - um so zurückhaltender ist bislang die Reaktion des Westens, vor allen Dingen der Vereinigten Staaten.
Die USA versuchen nun auch rhetorisch ein wenig abzurüsten, indem sie erklären, dass die harten Sanktionen nicht dazu da sind, das Land zu bestrafen, sondern dazu da sind, Putin an einen Verhandlungstisch zu bringen. Rhetorische Deeskalation ist dabei wichtig.
Das Interview führte Mathis Feldhoff. Sehen Sie hier das ganze ZDF spezial zum Krieg in der Ukraine:
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