Feuerpause: Welche Strategie verfolgt Putin?

    Ankündigung für die Ukraine:Feuerpause: Welche Strategie verfolgt Putin?

    Katja Belousova
    von Katja Belousova
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    Putins Ankündigung einer Feuerpause in der Ukraine hat nicht nur eine militärische, sondern auch eine innenpolitische Komponente. Zudem geht es darum, Kiew zu diskreditieren.

    Pünktlich zum orthodoxen Weihnachtsfest sollen die russischen Waffen in der Ukraine niedergelegt werden: Am Freitag und Samstag hat Russlands Präsident Wladimir Putin eine 36-stündige einseitige Feuerpause angekündigt, die die Ukraine als "Heuchelei" bezeichnet und abgelehnt hat.
    Dass sich hinter Putins Entscheidung keine echte Geste des Friedens verbirgt, ist vielen Beobachtenden des Ukraine-Kriegs klar. Militärisch sei es "eine zynische Finte von Putin und seinen Getreuen, um ein bisschen Zeit zu gewinnen", erklärte Politikwissenschaftler und Militärexperte Carlo Masala im ZDF. Russland gehe es auch darum, eine Möglichkeit zu schaffen, um mehr Militärmaterial und Menschen an die Front zu bringen.
    Doch hinter Putins Ankündigung verbirgt sich auch eine innen- wie außenpolitische Strategie, erklären Osteuropa-Experten.

    Welches innenpolitische Signal sendet Putin?

    "Mittlerweile unterstützen mehr Russen Friedensverhandlungen als eine Fortsetzung des Krieges. Putin antwortet auf diese Stimmungslage, indem er für einen emotionalen und religiösen Festtag einseitig eine Waffenruhe ausspricht", erklärt Russland- und Osteuropaexperte Gerhard Mangott von der Uni Innsbruck ZDFheute.
    Nach der Ablehnung des Angebots durch die Ukraine wolle Putin bei der russischen Bevölkerung punkten und so den Eindruck erwecken, er sei zu einer Verständigung bereit - was objektiv nicht der Fall ist, so Mangott.
    "Hinter der Idee verbirgt sich kein ernsthafter politischer Wille für Verhandlungen, wie aus den Äußerungen Putins und anderer Mitglieder der politischen Elite deutlich zu erkennen ist", erklärt auch Osteuropa-Expertin Gwendolyn Sasse von der Humboldt-Universität in Berlin.
    Gleichzeitig ist die Waffenruhe auch ein Zugehen auf die russisch-orthodoxe Kirche, mit der Putin paktiert.

    Putin konnte damit auch demonstrieren, welche Autorität er scheinbar der russisch-orthodoxen Kirche zuspricht, deren Patriarch zu einer "Weihnachtswaffenruhe" aufgerufen hatte. 

    Gerhard Mangott, Uni Innsbruck

    "Mit dieser Anordnung stellt er sich als jemand dar, dem die orthodoxen Christen in der Ukraine am Herzen liegen würden, als einen Anführer, der sich von moralischen Werten treiben lässt, und eben nicht als der Oberbefehlshaber, der seine Soldaten überhaupt erst ins Nachbarland geschickt hat", berichtet ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa aus Moskau.

    Wladimir Putin versucht, sich einen humanitären Anstrich zu geben, und bringt die Ukraine so in Erklärungsnot.

    Phoebe Gaa, ZDF-Korrespondentin

    Reaktion auf Erdogan

    Mit seiner Ankündigung kommt Putin auch Recep Tayyip Erdogan entgegen: Der türkische Präsident hatte eine Waffenruhe gefordert - und sich gleichzeitig als Vermittler bei möglichen Verhandlungen angeboten. Auch Putin soll Erdogan gegenüber Dialogbereitschaft signalisiert haben, diese aber wie so oft an territoriale Abtretungen der Ukraine geknüpft haben.
    "Erst wenn Russland sich vollständig aus den besetzten Gebieten zurückzieht, dann könne man überhaupt über eine Waffenruhe nachdenken", erklärt ZDF-Korrespondent Timm Kröger die Haltung der Ukraine.

    "Schwarzer Peter" für Ukraine

    Für die Ukraine ist die territoriale Integrität des eigenen Landes unverhandelbar - daher schlägt die Kiewer Regierung einen solchen, für sie klar nachteiligen Deal aus. Der Kreml, aber auch einige Stimmen im Ausland, interpretieren das so, als sei die Ukraine per se an keiner Friedenslösung interessiert.
    Diese Haltung der Ukraine nutzt Putin seit jeher für seine Propaganda - gleiches gilt nun für Kiews Ablehnung der russischen Feuerpause.

    Durch die ablehnende Haltung der ukrainischen Führung wird dieser der 'schwarze Peter' zugewiesen. Das verfängt bei vielen Russen und Russinnen.

    Gerhard Mangott, Uni Innsbruck

    Westliche Regierungen würden die ukrainische Position stützen, so Mangott. Bei manchen Bevölkerungsschichten im Westen würde die Ukraine durch die Ablehnung der Waffenruhe hingegen leicht verlieren.
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