Ukraine-Krieg: Wie sicher ist Putins Macht?

    Geheimdienstexperte Soldatow:Ukraine-Krieg: Wie sicher ist Putins Macht?

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    Was passiert, wenn Putin seine Kriegsziele in der Ukraine nicht erreicht? Wie sicher die Macht des Kremlschefs ist, darüber spricht Geheimdienstexperte Andrej Soldatow im ZDF.

    Noch kurz vor Beginn der Ukraine-Invasion demonstriert der russische Präsident Wladimir Putin seine ganze Macht vor laufenden Kameras. Ende 2022 wirkt der Mann im Kreml längst nicht mehr so mächtig. Der Ukraine-Krieg läuft nicht, wie Putin es geplant hat.
    Wie sicher ist Putins Macht, wenn die Erfolge in der Ukraine weiter ausbleiben und der Krieg immer höhere Verluste bringt? Das erklärt der russische Geheimdienstexperte Andrej Soldatow im ZDF.

    Wie sicher ist Putins Macht?

    Andrej Soldatow stellt im ZDF fest:

    Putins Macht ist ziemlich sicher. Momentan gibt es keine seriösen Gruppierungen im und um den Kreml, die als Konkurrenz agieren könnten für Putin.

    Andrej Soldatow, russischer Geheimdienstexperte

    Sogar die Geheimdienste hätten kaum Einfluss, so Soldatow. Gerade in den letzten sieben Jahren habe Putin gezielt versucht, "Menschen loszuwerden, auch die, die vielleicht dieselbe Ideologie hatten, aber ambitioniert waren" - also eine Konkurrenz für Putin hätten sein können.
    Seit 2015/16 habe es "punktuelle Repressalien" gegeben, zu deren Opfern laut Soldatow nicht nur Journalisten und Oppositionelle wurden, sondern auch Gouverneure und Geheimdienstler. Und auch innerhalb des Militärs funktionieren diese Repressalien, so Soldatow. Deswegen sei es für russische Soldaten kaum möglich aufzubegehren.

    Standbild: Kulturzeit-Gespräch mit Andrej Soldatow

    ...ist ein russischer Investigativjournalist und Geheimdienstexperte. Er ist zusammen mit Irina Borogan Mitgründer und Herausgeber der Website Agentura.ru.

    Quelle: ZDF

    Wer sind Putins stärkste Kritiker?

    Jewgeni Prigoschin: "Jewgeni Prigoschin hat an Wirkung gewonnen", sagt Soldatow über den Gründer der "Söldnergruppe Wagner". Das sehe man in mehreren Bereichen: Zum einen wurde eine neue Zentrale seiner Wagner-Gruppe in Sankt Petersburg eröffnet. Dann habe er offen darüber gesprochen, dass er sich in die US-Wahlen 2016 eingemischt habe. Außerdem habe er im Sommer das Verteidigungsministerium kritisiert.
    Dennoch: "Alles, was Prigoschin macht, ist vom Kreml erlaubt". Und: Seitdem Putin Prigoschin als Oberbefehlshaber abgesetzt wurde, habe dieser Putin nicht mehr kritisiert. "Er will stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates werden." Dann hätte er "den nötigen Ruf innerhalb der russischen Bürokratie".

    Ob er nun als wirkliche Konkurrenz zu Putin gesehen werden kann - meiner Meinung nach ist das eine Fehleinschätzung. Prigoschin hat keine unabhängigen Finanzierungsquellen. Er wird von keinem Oligarchen unterstützt. Er hat keine eigene politische Partei.

    Andrej Soldatow, russischer Geheimdienstexperte

    Ramsan Kadyrow: Die Methoden des tschetschenischen Präsidenten seien sehr ähnliche wie die von Prigoschin, macht Soldatow klar. "Er provoziert die ganze Zeit und erweitert so seinen Tätigkeitsbereich." Aber auch hier: "Alles, was er macht, wurde vom Kreml erlaubt."

    Könnte auf Putin ein demokratischer Präsident folgen?

    Dass ein demokratischer Präsident auf Putin folgen könnte, diese Chance schätzt der Geheimdienstexperte als sehr gering ein. Es gebe schlicht keine demokratischen Strukturen in Russland, keine demokratischen Institutionen, keine demokratischen Parteien und auch keine Zivilgesellschaft mehr, die die öffentliche Meinung beeinflussen könnte.
    Dennoch wolle er die Hoffnung auf mögliche positive Veränderungen nicht aufgeben, so Soldatow.

    Warum herrscht so viel Angst in Russland?

    In den letzten zwölf Jahren gab es so viele plötzliche Tode von Journalisten, von Oligarchen, von Regierungsmitgliedern. Deswegen gibt es aktuell diese Angst-Atmosphäre in Moskau.

    Andrej Soldatow, russischer Geheimdienstexperte

    Als Beispiel nennt Soldatow den russischen Außenminister. Sergej Lawrow habe mehrmals gesagt, dass er zurücktreten wolle. "Nun sagt er nichts mehr. Er ist eine Geisel. Er wird zum Kriegsverbrecher, er kann nicht weg."
    Öffentliche Kritik am Ukraine-Krieg sei in Russland nicht möglich, macht Soldatow klar. Weil er angeblich Falschinformationen darüber verbreitet habe, werde auch gegen ihn selbst ermittelt. Ihm drohten zehn Jahre Haft, wenn er nach Russland zurückkehre.

    Wie funktioniert Putins Zirkel der Macht?

    Putin habe Geheimdienstler und Menschen aus dem Verteidigungsministerium um sich versammelt. Wirtschaftswissenschaftler, Juristen oder Politiker gebe es in dem Zirkel der Macht nicht, so Soldatow. Warum? Weil Ex-Geheimdienstler dieselbe Sprache wie Putin sprechen.
    Sie trauten dem Westen nicht. Wegen des Zerfalls der Sowjetunion hätten sie ihren Sozialstatus verloren. "Das ist ein riesiges Trauma für sie", erklärt Soldatow. "Sie haben Angst vor einer neuen Katastrophe."

    Deswegen haben sie Paranoia in Bezug auf die Proteste innerhalb des Landes und Paranoia in Bezug auf den Westen. Sie glauben, dass der Westen nur daran denke, Russland zu zerstören.

    Andrej Soldatow, russischer Geheimdienstexperte

    • Die Sowjetunion war mit Abstand das größte Land der Welt.
    • Es bestand ab 1922 aus dem großen Russland und vielen kleinen Ländern in Osteuropa und Asien.
    • Die russische Stadt Moskau war die Hauptstadt der Sowjetunion.
    • 1991 löste sich die Sowjetunion auf.
    • Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind Russland, Usbekistan, die Ukraine, Belarus und auch noch andere Länder.

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    Quelle: ZDF

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