Pressekonferenz abgesagt: Warum Putins Bühne leer bleibt

    Jahrespressekonferenz abgesagt:Warum Putins Bühne leer bleibt

    Bild Sebastian Ehm SGS Volle Kanne Taliban Machtübernahme
    von Sebastian Ehm
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    Am Jahresende stellt sich Putin normalerweise Fragen von Journalisten. Jetzt ist diese Pressekonferenz abgesagt worden und Beobachter rätseln, warum.

    Russland, Moskau: Wladimir Putin, Präsident von Russland, spricht bei der großen Pressekonferenz per Video zu Medienvertretern in Moskau. Archivbild
    Dieses Jahr gibt es keine Pressekonferenz von Putin. Vor zwei Jahren hielt er sie noch über Video.
    Quelle: Aleksey Nikolskyi/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

    Es ist eigentlich immer die ganz große Bühne, auf die sich Wladimir Putin am Ende eines jeden Jahres stellen will. Eine Bühne, von der aus er Russland und der Welt seine Sicht der Dinge präsentieren kann. Eine Bühne, auf der er sich als nahbarer und kluger Herrscher zeigen will. Doch diese Bühne wird Wladimir Putin dieses Jahr nicht betreten. Das erste Mal seit zehn Jahren.

    Anti-Kriegs-Stimmung in Russland?

    Es war eine überraschende Nachricht, die Putins Sprecher Dmitri Peskow da am Montag verkündete und es dauerte auch nicht allzu lange bis über die Gründe spekuliert wurde.
    Der britische Geheimdienst beispielweise, will darin eine gestiegene Anti-Kriegs-Stimmung in ganz Russland erkennen. Putin könne sich nicht sicher sein, dass sich während der Pressekonferenz nicht eine Diskussion entspinne, in der er schlecht aussehe, so die Argumentation aus London.
    Britisches Verteidigungsministerium zur Absage
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    Dem widerspricht Stanislaw Belkowski. Er ist Politikwissenschaftler und Putin-Experte aus Moskau. Seit mehr als 20 Jahren beobachtet, analysiert und kritisiert er dessen Politik. "Als ob gesellschaftliche Stimmungen wesentlichen Einfluss hätten auf den Herrscher. Putin kann gesellschaftliche Stimmungen ignorieren." Eine Diskussion komme bei solchen Pressekonferenzen sowieso nicht auf.
    Laut Belkowski hält Putin dort eher einen Dialog mit sich selbst. Die Journalisten seien nur Beiwerk. Er ist der Meinung, dass Putin Angst habe, sich selbst eine Antwort auf die Frage zu geben, warum seine sogenannte Spezialoperation gescheitert ist.

    Putin hasst es, einräumen zu müssen, dass er sich im Unrecht befindet, selbst in kleinem Maßstab, ganz zu schweigen vom großen Zusammenhang.

    Stanislaw Belkowski, russischer Politikwissenschaftler

    "Er ist völlig hilflos bei Antworten auf diese Frage. Er kann sie sich selbst nicht beantworten und damit auch nicht öffentlich", so Belkowski.

    Warum will Putin nicht mal den Schein wahren?

    Fakt ist, es gibt dieses Jahr nicht viel Positives zu berichten, das weiß man auch im Kreml. Die sogenannte militärische Spezialoperation war nicht nach wenigen Tagen beendet, sondern läuft immer noch.
    Es folgte sogar eine weitere Teilmobilisierung, die in der Bevölkerung nicht gut ankam. Außerdem geistern in russischen Social-Media-Kanälen längst Gerüchte umher, die von einer weiteren Mobilisierung im Januar sprechen.
    Wladimir Putin trägt ein Bild seines Vaters. Er ist umringt von weiteren Personen, die schwarz-weiße Porträts von Angehörigen tragen.
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    Das alles will der Kreml in seiner jährlichen Pressekonferenz nicht thematisieren. Die Frage ist allerdings, warum sein Sprecher nicht einfach einige linientreue Journalisten ausgewählt hat, die dann vorher abgesprochene Fragen zu anderen Themen stellen. So war es zumindest die Jahre zuvor. Warum will man im Kreml nicht mal den Schein wahren?
    Laut Stanislaw Belkowski hat Putin Angst vor der Medienwirkung und damit auch vor Journalisten. Putin sprach in seiner Karriere schon mehrfach davon, dass er die mediale Öffentlichkeit hasse.

    Einmal sagte er auf einem G-8-Gipfel in Gleneagles, dass, selbst wenn er sich mit nur einer Kamera konfrontiert sieht, sein Verstand nicht mehr richtig funktioniere.

    Stanislaw Belkowski, russischer Politikwissenschaftler

    Putin hat Angst vor Medien

    Wladimir Putin hat offenkundig nichts übrig für eine freie Presse, ja nicht mal für eine unfreie. Er hat sogar Angst vor den Medien und deren Wirkung. Seit dem 24. Februar 2022, also dem Tag des Einmarsches in die Ukraine, ist es für Journalisten nahezu unmöglich geworden frei in Russland zu arbeiten.
    Unabhängige Sender wie TV Doschd, die Nowaja Gaseta oder Meduza haben Anfang März das Land verlassen und berichten jetzt aus dem Ausland. Viele Blogger und Lokaljournalisten wurden seit Februar festgenommen.
    Wladimir Putin in sakraler Umgebung.
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    Dass Wladimir Putin in keiner Pressekonferenz über die sogenannte militärische Spezialoperation reden will, erscheint logisch. Doch sein prinzipielles Verhältnis zu Journalisten und Medien ist wesentlich problematischer.
    Mit der abgesagten Pressekonferenz zeigt Putin deutlicher denn je, dass er sich Russland gegenüber nicht erklären will. Zum einen, weil er die Öffentlichkeit nicht mag und zum anderen, weil er Angst davor hat sich den drängenden Fragen dieses Jahres zu stellen: Was bedeutet das Vorgehen in der Ukraine für Russland?
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