Putins Propaganda-Blogger: Harte Kritik an Russlands Militär

    Heftige Kritik an Kriegsführung:Putins Problem mit den Propaganda-Bloggern

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Russlands Militärblogger sollten den Krieg in der Ukraine mit Propaganda am Laufen halten. Angesichts zahlloser russischer Niederlagen äußern sie immer deutlicher Kritik an Moskau.

    Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz im September in Samarkand. (Archivbild)
    Russlands Propaganda liefert nicht, was Wladimir Putin bestellt hat: Immer mehr russische Militärblogger kritisieren den Kriegsverlauf. (Archivbild)
    Quelle: epa

    Sie gehören zu den lautesten Befürwortern des russischen Kriegs in der Ukraine, doch jetzt werden sie für Moskau zum Propaganda-Risiko. Seit Russland eine militärische Niederlage nach der anderen einfährt, wird die Kritik einflussreicher russischer Blogger an der Militärführung immer lauter.

    Kritik an inkompetenten russischen Kommandeuren

    Anders als viele reguläre Medien bekommen die Militärblogger umfangreichen Zugang zu den Frontlinien. Sie begleiten Soldaten ins Gefecht, laden anschließend Videos und persönliche Erzählungen in den sozialen Medien hoch. Der Kreml erhoffte sich davon nahbare, patriotische Berichte für ein junges, internetaffines und militärbegeistertes Publikum.
    Aktivisten demonstrieren in Deutschland für Putins Politik.
    Der Krieg in der Ukraine wird nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Worten geführt. Propagandisten versuchen auch in Deutschland, die öffentliche Meinung zu manipulieren.10.03.2023 | 29:02 min
    Doch neben Kreml-Propaganda und Hass auf Ukrainer mischt sich in die Schilderungen immer häufiger beißende Kritik an Entscheidungen russischer Befehlshaber.

    Manche Kommandeure sollte man erschießen. Meine Herren, Sie haben kein moralisches Recht ihre Ränge und Abzeichen zu tragen.

    Militärbloggerin Anastasia Kaschewarowa

    Der Bloggerin Anastasia Kaschewarowa folgen über 200.000 Personen auf Telegram, andere haben noch größere Reichweite. Semyon Pegov, der unter dem Namen "WarGonzo" seit Jahren russische Militäreinsätze begleitet, hat über 1,3 Millionen Telegram-Follower – ein Vielfaches des Verteidigungsministeriums. Angesichts des kürzlichen russischen Rückzugs aus Cherson schrieb er:

    Wir [müssen] bestrafen, wer für die aktuellen Mängel verantwortlich ist und verstehen, wo Verrat und kriminelle Fahrlässigkeit stattgefunden haben. (…) Das ist eine dunkle Stunde in der Geschichte der russischen Armee.

    Militärblogger Semyon Pegov

    Den Ukraine-Krieg selbst hinterfragen sie nicht

    Den Krieg selbst hinterfragt er nicht – sondern die Art, wie er geführt wird. Auf rund 500 Personen schätzt der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) die Zahl der russischen Militärblogger insgesamt.
    "Die Community hält an ihrer entschiedenen Unterstützung des Krieges und ihren russisch-nationalistischen Anschauungen fest. (…) Ihre engen Verbindungen zum Militär haben dieser Gruppe eine Stimme verschafft, die (…) lauter wirkt als die des russischen Verteidigungsministeriums", so das ISW in einer Analyse von Montag. Sie seien eng mit einflussreichen nationalistischen Ideologen verbunden.

    Die große Popularität der Militärblogger ist vermutlich die direkte Konsequenz aus (…) dem Versagen Putins, seine Bevölkerung auf einen ernsthaften und anhaltenden Krieg vorzubereiten.

    Institute for the Study of War

    Wie zentral die Blogger und ihre Berichterstattung von russischen Behörden gesteuert werden, ist von außen kaum zu sagen. Einhellig ist die Kritik am Militär nicht, viele bleiben auch jetzt eine mediale Stütze der russischen Kriegsmaschinerie.

    Putin holt Militärblogger in "Menschenrechtsrat"

    Mit Alexander Kots von der Boulevardzeitung "Komsomolskaya Pravda" holte Präsident Wladimir Putin am 17. November sogar einen Blogger in den russischen "Menschenrechtsrat". Mehrere nun entlassene Mitglieder, darunter der bekannte Journalist Nikolai Swanidse, hatten sich kritisch zur Regierung geäußert.
    Es sind vor allem umstrittene Themen wie die Rolle der Söldner-Gruppe Wagner, zu denen die Militärblogger keine einheitliche Position haben. Manche von ihnen sind eng mit Wagner verbandelt, waren mit ihnen bereits im Einsatz in Afrika oder Syrien. Andere kritisieren den steigenden Einfluss des Militärunternehmens auf die Kriegsführung in der Ukraine.
    Darunter ist etwa Igor Girkin, früherer Militärführer der selbsterklärten Separatisten-Republik von Donezk: "Egal, wie viel du einem Söldner zahlst, du kannst ihm nicht vertrauen. Es wird immer jemanden geben, der mehr zahlt", so Girkin im Oktober auf Telegram.
    "[Girkin] darf Kritik äußern, für die andere schon in der Strafkolonie landen. Aber welche Abmachungen da hinter den Kulissen laufen, ist schwer zu beurteilen", sagt Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations ZDFheute. Wegen seiner Rolle beim Abschuss des Fluges MH-17 wurde Girkin vergangenen Donnerstag in den Niederlanden in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt.
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    Ab Dezember kommen massive Einschränkungen

    Dass der Kreml die relative Unabhängigkeit der Militärblogger angesichts der sonstigen Pressezensur bislang tolerierte, sei bemerkenswert, betonen die ISW-Experten. Im Oktober hätten führende Personen aus dem Verteidigungsministerium vergeblich versucht, gegen prominente Blogger juristisch vorzugehen. Es sei wahrscheinlich, dass Putin das blockiert habe, so das ISW.
    Doch die relative Unabhängigkeit der Militärblogger könnte bald ein Ende finden. Zum 1. Dezember tritt ein Erlass des russischen Geheimdiensts FSB in Kraft, der die Verbreitung zahlreicher Informationen über die "Spezialoperation" unter Strafe stellt – darunter zum Ausrüstungsstand und zur Moral der Truppen.

    Ich verstehe nicht, wie die Militärkorrespondenten jetzt noch arbeiten sollen.

    Militärbloggerin Anastasia Kaschewarowa

    Bloggerin Kaschewarowa empfindet das als direkten Angriff auf ihre Arbeit. "Ich werde nicht leise sein, wenn es um Fehler geht. Denn diese Untätigkeit hat dazu geführt, dass unsere Jungs von den ukrainischen Kreaturen erschossen werden. (…) Wurde jemand dafür bestraft? Nein. Wird dafür jemand bestraft werden? Ja, wir stehen euch bei."
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

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