Für Wladimir Putin ist der Angriff auf die Ukraine gerechtfertigt und begründet. Vier wesentliche Gründe für die Invasion nannte er. Wie stichhaltig sind sie? Ein Faktencheck.
Seit rund drei Wochen führt Russlands Präsident Wladimir Putin einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Aus seiner Sicht völlig zurecht. Im Wesentlichen rechtfertigt er diese Invasion durch vier Gründe:
Erste Behauptung: Historische Legitimation
Die Ukraine sei kein legitimer, souveräner Staat. In seiner Rede vom 21. Februar behauptet Putin, ohne Russland gäbe es keine Ukraine.
Faktencheck:
Die Ukraine hat in ihrer Geschichte immer wieder mit ihren Nachbarn Polen und Russland zu tun gehabt. Mit der Gründung des "Hetmanat" 1648 ist jedoch ein eigenständiger ukrainischer Staat entstanden.
Auch wenn dieser in den folgenden Jahrhunderten erneut polnischen und russischen Einflüssen unterworfen war, ist es unstrittig, dass es spätestens seit dem 19. Jahrhundert eine ukrainische Nationalbewegung gab. Sie hatte die Bildung einer ukrainischen Nation zum Ziel. Dieses wurde auch kurzfristig, zwischen 1917 und 1919, erreicht. Doch die Souveränität endete mit dem Anschluss an Sowjetrussland während des russischen Bürgerkriegs.
Wie Putin Geschichte als Waffe zu nutzen versucht, sehen Sie in dieser Terra X-Doku:
Für Kreml-Chef Putin dient sie als Begründung und Rechtfertigung im Krieg gegen die Ukraine: Russlands Geschichte und imperiale Tradition. Basiert das auf historischen Fakten?
Zweite Behauptung: Nazis kontrollieren Ukraine
Schon seit Jahren verbreitet Russland das Propaganda-Narrativ, die Ukraine werde von Nazis regiert. Das wolle Putin nun stoppen, die Ukraine sozusagen "entnazifizieren".
Faktencheck:
Mit Präsident Wolodmyr Selenskyj und Ministerpräsident Denys Schmyhal hat die Ukraine zwei frei und geheim gewählte Repräsentanten in der Regierungsspitze, die beide jüdischen Glaubens sind. Hinzu kommt, dass Selenskyj erst vergangenen Herbst ein Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Antisemitismus in der Ukraine unterzeichnet hat. Schon diesem Fakt hält das "Nazi-Narrativ" also nicht stand. Die Behauptung einer "faschistischen Ukraine" hat Putin 2013/2014 selbst initiiert. Nachdem die Bevölkerung der Ukraine sich gegen den als russlandfreundlich geltenden Präsidentenen Janukowitsch gewehrt hatte und der nach Russland flüchtete, behauptete Putin, die Ukrainer seien Faschisten.
Analogie zum Zweiten Weltkrieg
Der Kreml sieht den aktuellen Ukraine-Krieg als Fortsetzung seines "Kampfes gegen das Böse", wie im Zweiten Weltkrieg. Er versucht so, eine assoziative Verbindung zu dem ruhmreichen Sieg der Sowjetarmee über Nazi-Deutschland herzustellen. Es scheint, als wolle Putin so sein Volk auf den jetzigen Krieg einschwören und symbolisch hinter der russischen Flagge versammeln.
Auch Extremismus-Forscher Alexander Ritzmann von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hält Putins "Nazi-Ukraine"-Erzählung für einen Deckmantel, der dazu dienen solle, seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine moralisch zu rechtfertigen, wie er ZDFheute sagte.
Holocaust-Forschungs- und Gedenkstätten wie das "United States Holocaust Memorial Museum" verurteilen Russlands Invasion in die Ukraine und "Wladimir Putins Ausbeutung der Holocaust-Geschichte als Vorwand für einen Krieg".
Rechtsextreme Gruppen auch in Ukraine
Allerdings gehört es zur Wahrheit dazu, dass es auch in der Ukraine rechtsextreme Gruppierungen und Parteien gab und immer noch gibt. "Deren Wahlergebnisse lagen bei den Wahlen von 2019 bei 2,15 Prozent, also unter dem europäischen Durchschnitt", so Ritzmann. Eine dieser Gruppierungen ist das sogenannte "Asow Regiment" – ehemals "Asow Bataillon" –, eine Miliz, die die ukrainische Armee seit 2014 im Kampf gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine unterstützt und momentan aktiv am Kriegsgeschehen teilnimmt. Zu den Mitgliedern zählen unter anderem Rechtsextreme, die in der Vergangenheit auch Straftaten begangen haben sollen. Seit der Eingliederung in die Nationalgarde, soll das "Asow Regiment" sich aber etwas deradikalisiert haben.
Russland lenkt von eigenen Problemen ab
Laut Alexander Ritzmann gibt es in Russland rund 150 rechtsextreme Organisationen und etwa 50.000 rechtsextreme Skinheads. Die Social-Media-Kanäle pro-russischer Separatisten und Unterstützer seien voll von antisemitischen Kommentaren. "Auch das zeigt, dass das 'Nazi-Ukraine' Argument vorgeschoben ist. Es soll wohl insbesondere bei der älteren russischen Bevölkerung für Kriegs-Sympathie sorgen", so Ritzmann zu ZDFheute.
[Lesen Sie hier, wie der Ukraine-Krieg in den russischen Staatsmedien dargestellt wird:]
- Putins Informationskrieg im Staats-TV
Russlands Krieg gegen die Ukraine wird im eigenen Land im TV-Programm geführt. Gegenstimmen werden mundtot gemacht, Gewalt gegen Ukrainer mit Lügen gerechtfertigt.
Dritte Behauptung: Ukraine bedroht Russland
Putin behauptet, die Ukraine bedrohe Russland militärisch und Russland müsse dies verhindern.
Faktencheck:
Schon der Blick auf die Truppenstärken beider Länder macht deutlich, dass dies so nicht stimmen kann. Denn die Ukraine besitzt nur einen Bruchteil der Kampfkraft von Russland. Putin hat sich durch die Anerkennung der in der Ukraine liegenden, selbsternannten prorussischen "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk einen Vorwand geschaffen, die Ukraine anzugreifen. Denn Donezk und Luhansk, so die Kremlpropaganda weiter, würden durch die Ukraine "bedroht und angegriffen". Putin helfe jetzt mit seiner "Spezialoperation", die Gebiete zu schützen.
Moskau versucht, diese Strategie durch den Artikel 51 der UN-Charta zu legitimieren. Doch das dort verbriefte Recht auf "individuelle und kollektive Selbstverteidigung" bezieht sich ausdrücklich auf den Fall eines bewaffneten Angriffs. Allerdings hat es einen völkerrechtlich relevanten ukrainischen Angriff nicht gegeben - zumindest ist die russische Seite jeglichen Beweis schuldig geblieben.
"Das Recht auf Selbstverteidigung setzt einen Angriff der Gegenseite voraus. Das ist im Falle der Ukraine überhaupt nicht zu erkennen", sagt Pia Fuhrhop, Forscherin am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit der "Deutschen Welle". Und auch formal ist die Legitimation durch Artikel 51 der UN-Charta ein Vorwand, denn bei den Separatistengebieten handelt es sich nicht um Staaten im Sinne des internationalen Rechts. Was auch der Internationalen Gerichtshof der UN in Den Haag jetzt in einem Urteil bestätigte.
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Vierte Behauptung: Ukraine hat gefährliche Biolabore
Die russische Regierung legitimiert ihren "Sondereinsatz" auch, indem sie behauptet, die Ukraine entwickle gemeinsam mit den USA chemische und/oder biologische Waffen, um sie im Kampf gegen Russland einzusetzen. Es gehe unter anderem um Biowaffen, die sie "mit Vögeln, Fledermäusen und Insekten" in Russland verbreiten wollten, so Russlands Botschafter Vasily Nebenzya vor dem UN-Sicherheitsrat.
Faktencheck:
In der Ukraine gibt es biologische Labore zu Forschungszwecken. Wie überall auf der Welt wird auch dort an verschiedenen Erregern geforscht. Einige dieser Labore erhalten Unterstützung aus der Europäischen Union, von der Weltgesundheitsorganisation oder eben auch den USA. Dies ist in anderen Ländern ebenso der Fall.
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Die USA weisen die Vorwürfe von sich. Sie warnen davor, dass Russland den Vorwurf der Produktion von Biowaffen dazu nutzen könnte, seinen Angriffskrieg noch weiter eskalieren zu lassen.
Das Weiße Haus habe Behauptungen Russlands zurückgewiesen. "Es hätte nie ein Biowaffenlabor in der Ukraine gegeben, das sei ein Täuschungsmanöver“, so Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington.
Die Weltgesundheitsorganisation rät der Ukraine, gefährliche Krankheitserreger zu zerstören, um eine mögliche Ausbreitung nach Angriffen zu verhindern. Der Vormarsch Russlands und die Bombardierung der Städte erhöhten die Gefahr, dass Krankheitserreger, an denen in den Laboren geforscht werde, durch Zerstörungen der Gebäude freigesetzt würden und sich in der Bevölkerung verbreiten könnten, teilte die WHO der Nachrichtenagentur Reuters mit.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betont, die Anschuldigen Putins, die Ukraine und Nato-Partner planten den Einsatz chemischer Waffen, seien völlig falsch. "Gerade deswegen ist es nötig, wachsam zu sein und zu beobachten, was die planen, zum Beispiel Scheinoperationen unter falscher Flagge mit dem Einsatz chemischer Waffen“, sagte er im Deutschlandfunk. Russland habe schon früher chemische Kampfstoffe eingesetzt und dem Assad-Regime in Syrien den Einsatz chemischer Waffen erleichtert.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Liveblog- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.
Aktuelle Nachrichten zur Ukraine
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