Die Queen verlässt die Kraft. Bei der Parlamentseröffnung übernimmt wie so oft in jüngster Zeit Thronfolger Prinz Charles. Ist die Zeit für eine Regentschaft gekommen?
Die Fanfaren hallen durch den Palast von Westminster, und nachdem der letzte Ton verklungen ist, kommt er - der Abgesandte der Königin, der ewige Thronfolger. Niemand wartet in der Geschichte länger darauf, endlich selbst ans Ruder zu gelangen. Und die, die ihn kennen, sind sich einig: Prinz Charles will diesen Job, er will König werden. Und dauere es auch noch so lange.
Man schien ihm die Aufregung anzumerken, er wirkt fast ein wenig unsicher. Zig Male hatte der Prinz von Wales, so der offizielle Titel des Thronfolgers, seine Mutter Queen Elizabeth II. schon auf den Weg zum Thron im Oberhaus begleitet. Neben ihr gesessen, gelauscht, während die Monarchin das Programm der Regierung verlesen hatte.
Noch nicht auf dem Thron
Nun ist sein Moment, auch wenn er mehrmals darauf hingewiesen wird, dass er hier nur die Aushilfe ist. Die imperiale Krone, die Insignie der Macht, wird vor ihm hergetragen. Tragen darf sie nur seine Mutter. Und selbst der Stuhl, auf dem er Platz nimmt, ist nicht der Thron. Sondern der alte Sitz seines Vaters, Prinz Philip. Neun Minuten dauert die Show, dann wieder möglichst majestätisch raus.
Die "Queen's Speech" eröffnet traditionell das neue Sitzungsjahr im Parlament. Doch auch gesundheitlichen Gründen lässt sich die Königin heute von Prinz Charles vertreten.
Er habe das, so die Historikerin Victoria Howard, souverän gemeistert. Er wisse ja, dass es viele Zweifler gebe im Land, die in ihm keinen geeigneten Nachfolger sehen. Das in aller Öffentlichkeit ausgetragene Ehedrama mit Diana - eine mediale Schlammschlacht sondergleichen. Seine merkwürdigen Marotten, etwa dass er gerne mit Blumen sprechen soll.
König und Aktivist?
Und selbst sein Umwelt-Aktivismus, auch in Sachen Klimakrise, für die er mittlerweile als Vorreiter gefeiert wird, hat bei vielen Briten über die Jahre einen Beigeschmack hinterlassen. Ein König kann eben kein Aktivist sein, so das klassische Rollenverständnis. Gerade deshalb hat die Königin ihrem Sohn heute auch demonstrativ den Rücken gestärkt. "Dass mit ihm ein Thronfolger, nicht der Justizminister, die Rede übernimmt, hat es noch nie gegeben", so Historikerin Howard.
Und für all die, die daran zweifeln würden, war William heute mit dabei. Eine Art Versicherung und Erinnerung, dass er als nächster an der Reihe ist.
Ein Jahr geprägt von Absagen
Eine Frage bleibt offen, wird immer wieder gestellt - sollte die Queen Charles nicht zum Regenten ernennen? Er würde dann die Amtsgeschäfte komplett übernehmen. Sie würde Königin bleiben, könnte sich aber zurückziehen. Historische Vorbilder gibt es. Doch die Queen, erklärt Biograf und Königshauskenner Hugo Vickers, werde diesen Schritt erst gehen, wenn sie zum Regieren geistig nicht mehr in der Lage sei.
Noch sei sie mental fit, erledige ihre Post, das Abzeichnen der Regierungsdokumente oder Termine via Zoom. Wird auch am Mittwoch mit Premierminister Johnson telefonieren, wie jede Woche. Klar ist aber wohl auch - das wird die Queen bleiben: eine virtuelle Königin. Nach einem Jahr, geprägt von Dauerabsagen ihrer Termine. Krankenhaus. Rückenschmerzen, kaum bewegungsfähig.
Königin mit Humor
Und trotzdem blitzt ihr trockener Humor auf. Als sie etwa im Februar auf Schloss Windsor hohe Militärs empfängt, und anmerkt: "Kommen Sie doch, ich kann mich nicht bewegen."
Obendrein hat sei eine Corona-Infektion überstanden. Und ist nun die einsame Queen, trauernd um Philip, ihre "Stütze und Stärke" in fast 75 Jahren Ehe. Der vor etwas mehr als einem Jahr gestorben war. Am Ende dieses Tages sei klar, so raunen die royalen Londoner Korrespondenten, dass Charles heute defacto zum Regenten geworden sei. Denn der Abschied von Elizabeth II. rückt näher. Hin zu einem Übergangskönig Charles.
Es gibt viele Königinnen, aber nur eine Queen. Kein*e Monarch*in war länger auf dem britischen Thron als sie. Ein Rückblick auf prägende Stationen ihres Lebens.