Deutschland will unabhängig von russischem Öl werden. Dafür wird jetzt sogar ein verstaubtes Gesetz aus den 70er Jahren aufpoliert. Ziel: Die PCK-Raffinerie in Schwedt enteignen.
In den Raffinerie-Anlagen der Stadt Schwedt in der brandenburgischen Uckermark endet die Pipeline "Druschba". Sie bringt Öl aus dem Westen Sibiriens. Sich hier vom russischen Öl unabhängig zu machen, dafür gibt es keine einfache Lösung.
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat Deutschland seine Abhängigkeit von russischem Öl bereits deutlich verringern können - aber es gibt noch ein großes Hindernis auf dem Weg zu einem Embargo: die PCK-Raffinerie in Schwedt in Brandenburg, die vom russischen Staatskonzern Rosneft kontrolliert wird. Um das Problem zu lösen, soll eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes die Grundlage schaffen. Es wurde an diesem Freitag erstmals im Bundestag beraten. Die Bundesregierung soll in die Lage kommen, die Raffinerie in Schwedt unter eine staatliche Treuhandverwaltung zu stellen oder sogar zu enteignen.
Die Raffinerie in Schwedt wird über die Druschba-Pipeline mit Öl versorgt und spielt eine Schlüsselrolle bei der Versorgung des Ostens. Bundesweit deckten russische Importe vor Beginn des Kriegs 35 Prozent des deutschen Ölverbrauchs. Dieser Anteil konnte inzwischen auf zwölf Prozent gesenkt werden, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diese Woche sagte. Bei diesen zwölf Prozent handele es sich um Ölimporte der Raffinerie in Schwedt. Das Geschäftsmodell von Rosneft sei es, russisches Öl zu kaufen. Wenn man dieses Öl nicht mehr haben wolle, brauche man für Schwedt eine Alternative.
Energiesicherungsgesetz die Grundlage für staatliche Aufsicht
Diese Alternative könnte es sein, die Raffinerie unter staatliche Aufsicht zu stellen - wie im Fall der deutschen Gazprom-Tochter. Für diese hatte Habeck die Bundesnetzagentur als Treuhänderin eingesetzt. Das allerdings geschah auf Grundlage des Außenwirtschaftsrechts und war möglich, weil die Firma von einer anderen russischen übernommen werden sollte.
Im Fall von Rosneft könnte nun das Energiesicherungsgesetz die Grundlage für eine staatliche Aufsicht bilden. Damit wäe auch eine Enteignung möglich. Eine solche sah das Gesetz, das als Reaktion auf die Ölkrise aus dem Jahr 1975 stammt, zwar auch bisher schon vor. In der nun geplanten Novelle aber sollen die Möglichkeiten klarer gefasst werden. Im Gesetzentwurf heißt es, zur Sicherung der Energieversorgung könnten Enteignungen vorgenommen werden.
Wirtschaftsweise Prof. Veronika Grimm erklärt: "Das russische Öl ist zu ersetzen", dies würde aber mit Belastungen für die Wirtschaft und Europa einhergehen. Auch beim Gas könne es eine Lösung geben, die Energiekosten würden aber steigen.
Energieimporte als Waffe
Der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Oliver Krischer (Grüne), sagte im Bundestag, man habe erlebt, dass der russische Präsident Wladimir Putin Energieimporte als Waffe einsetze - Russland hatte Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien gestoppt. "Aber wir werden uns nicht einschüchtern lassen, sondern unsere Politik ist darauf ausgerichtet, dass wir uns für den Fall wappnen, dass sich die Situation zuspitzt", sagte Krischer.
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Auch SPD und FDP für Option der Enteignung
Um schnell handeln zu können, soll das Gesetz rasch verabschiedet werden. Das könnte Mitte Mai der Fall sein. Dazu kommt noch ein anderer Hebel: Rosneft will die Raffinerie in Schwedt fast vollständig übernehmen, dies aber wird derzeit vom Wirtschaftsministerium geprüft.
Woher soll das Öl dann kommen?
Zum einen könnte über den Hafen im polnischen Danzig Öl per Schiff angelandet werden, das dann nach Schwedt gebracht werden könnte. Auch vom Ostseehafen Rostock aus könnte Schwedt versorgt werden.
Habeck hatte am Dienstag mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, ein Ölembargo gegen Russland sei für Deutschland "handhabbar". Im ZDF sagte er am Donnerstagabend, Deutschland könnte ein Embargo mitgehen.
Robert Habeck bei "maybrit illner"
Wäre es morgen so weit, werde es Lieferausfälle geben und enorme Preissprünge: "Das tut noch immer ordentlich weh, aber wir werden keine nationale Katastrophe mehr erleben." Habeck sagte aber zugleich, ein Embargo müsse klug gestaltet werden. Es bestehe die Gefahr, dass im Falle eines Embargos die Preise weltweit so steigen, dass Putin am Ende mit weniger Öl mehr Geld bekomme.
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