Nach dem russischen Raketenbeschuss von Tanklagern nahe der polnischen Grenze diskutiert die Bundesregierung über mehr Raketen-Schutz für Deutschland. Wie könnte der aussehen?
Die Bundesregierung denkt offenbar darüber nach, einen Raketenschutzschirm für Deutschland anzuschaffen. Als Vorbild dient bei diesen Überlegungen Israel, das über verschiedene Schutzsysteme gegen Raketenangriffe verfügt. Am Sonntagabend hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der ARD-Sendung "Anne Will" gesagt: "Das gehört ganz sicher zu den Dingen, die wir beraten, aus gutem Grund."
Dann konkretisierte Scholz mit Blick auf Russland: "Wir müssen uns alle darauf vorbereiten, dass wir einen Nachbarn haben, der gegenwärtig bereit ist, Gewalt anzuwenden, um seine Interessen durchzusetzen. Deswegen müssen wir uns gemeinsam so stark machen, dass das unterbleibt."
Vier Wochen schon dauert der Krieg in der Ukraine. Städte werden verwüstet, Zivilisten getötet, Millionen sind auf der Flucht. Wie konnte es zu diesem Krieg mitten in Europa kommen?
"Arrow 3" oder "Iron Dome"?
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hatte dazu erklärt es sei im Gespräch, das israelische System "Arrow 3" zu kaufen. An anderen Stellen war stattdessen von dem ebenfalls israelischen "Iron Dome" die Rede. Das sind unterschiedliche Systeme für unterschiedliche Aufgaben.
Der in Deutschland recht bekannte "Iron Dome" soll Israel vor vergleichsweise kleinen Kurzstrecken-Raketen schützen, die aus geringer Entfernung – zum Beispiel aus dem Gaza-Streifen - auf das Land abgeschossen werden. Das System "Arrow 3" hat eine andere Aufgabe: Hier geht es darum, Mittelstreckenraketen zu zerstören, die aus deutlich größerer Entfernung und einer viel höheren Flugbahn unterwegs sind.
Bundeswehr kann nur Kurzstreckenraketen abfangen
Ein System zur Abwehr von Kurzstreckenraketen hat die Bundeswehr: Das "Patriot"-System aus US-Produktion ist seit rund 30 Jahren im Einsatz, damit nicht mehr ganz neu, aber durchaus erprobt. Es ist bei der Bundeswehr komplett auf Lkw montiert und kann damit dorthin verlegt werden, wo es gebraucht wird.
Gegen Mittelstreckenraketen, die aus größerer Distanz abgefeuert werden und auf ihrer Flugbahn die untere Erdatmosphäre verlassen und durch die Stratosphäre fliegen, hat die Bundeswehr keine Abwehrsysteme. Diese Lücke könnte "Arrow 3" schließen.
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"Arrow 3" würde nicht nur Deutschland schützen
"Arrow 3" besteht – ganz stark vereinfacht dargestellt – aus einer Radar- und einer Raketeneinheit. Das Radar erkennt anfliegende gegnerische Raketen und verfolgt sie mit seinen Radarstrahlen. Experten sprechen davon, dass das Radar das Ziel "beleuchtet". Die "Arrow 3"-Rakete wiederum folgt dieser Beleuchtung zum Ziel und zerstört es.
Das Green-Pine-Radar, das zum Arrow-System gehört, hat eine so große Reichweite, dass es an nur drei Stellen in Deutschland aufgestellt werden müsste. Von dort könnte es nicht nur Deutschland, sondern auch im Norden die Baltischen Staaten, in der Mitte Polen und im Süden zum Beispiel Rumänien mit absichern. Diese Länder müssten für ihre Abwehr nur Arrow-Raketeneinheiten erwerben. Die Radardaten kämen von einer zentralen Luftraumüberwachung aus Deutschland.
Aufwand für "Arrow 3" schwer abzuschätzen
Ob und wenn ja wie schnell das israelische Raketenabwehrsystem "Arrow 3" beschafft werden könnte, ist derzeit schwer abzuschätzen. Klar ist: "Arrow 3" ist als Nachfolger des Systems "Arrow 2" fertig entwickelt und damit direkt verfügbar.
Die zwei Milliarden Euro Beschaffungskosten, die am Wochenende unter anderem in der "Bild am Sonntag" zu lesen waren, dürften für eine Abwehr von Mittelstreckenraketen mittels "Arrow 3" aber keinesfalls reichen. Die Summe würde – wenn überhaupt – eher zu einer Art "Iron Dome" passen. Also zu einem "Patriot"-Nachfolger zur Abwehr von Kurzstreckenraketen. Dazu hat der Militär-Blog "Augen geradeaus" eine interessante Vergleichsrechnung aufgemacht.
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