Junge Menschen in Ukraine: Wiederaufbau bei Techno-Party
Musik und Aufräumen:Junge Ukrainer: Wiederaufbau und Techno-Party
25.07.2022 | 19:40
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Der russische Angriffskrieg hat viele Teile der Ukraine verwüstet. Das wollen junge Menschen in Jahidne nicht hinnehmen - und kombinieren das Notwendige mit elektronischen Beats.
Junge Freiwillige beseitigen Trümmer von einem Gebäude, während sie der Techno-Performance eines DJs zuhören.
Quelle: AP
In einem vor wenigen Monaten unter russischer Besatzung verwüsteten Dorf im Norden der Ukraine ist eine Techno-Party in vollem Gange. In einem ausgebombten Gebäude haben mehr als 200 junge Menschen einen neuen Weg gefunden, um beim Wiederaufbau ihres Landes zu helfen. Der tagsüber stattfindende "Aufräum-Rave" in Jahidne ist von jungen Ukrainerinnen und Ukrainern organisiert worden, die auf Tanzpartys setzen, um Schäden zu beheben, die bei russischem Bombardement entstanden.
Tanzende Menschen zwischen Trümmern – im ukrainischen Jahidne treffen sich regelmäßig junge Menschen zum Raven und zum Aufräumen der Spuren des Krieges. 26.07.2022 | 0:59 min
Junge Leute verbinden Musik mit Freiwilligenarbeit
Mit Schaufeln in der Hand arbeiten sich die Freiwilligen durch die Überreste eines dörflichen Kulturzentrums, das im März bei einem russischen Raketenangriff zerstört wurde. Die Trümmer werfen sie auf einen an einem Traktor befestigten Schaufellader. Ein DJ, der seine Anlage auf einem Stapel Munitionskisten aufgebaut hat, spielt dazu Techno und Housemusik ab. Einige pausieren ihre Arbeit, um zu tanzen. Tanja Burjanowa, eine der Organisatorinnen von der Initiative "Repair Together", sagt:
Freiwilligenarbeit ist jetzt mein Lebensstil.
Tanja Burjanowa, Organisatorin von "Repair Together"
"Ich mag elektronische Musik und bin früher Feiern gegangen. Aber jetzt ist Krieg und wir wollen helfen. Und das machen wir mit Musik", sagt sie.
Gefühl von Normalität und Freude
Die pulsierende Clubszene der Ukraine kam mit der russischen Invasion vom 24. Februar plötzlich zum Stillstand. Jetzt, mit einer nächtlichen Ausgangssperre in der Hauptstadt Kiew und der allgegenwärtigen Gefahr weiterer russischer Raketenangriffe versuchen Anhänger der ukrainischen Partykultur, den Spaß und das Freiheitsgefühl eines Musikfestivals mit dem Wiederaufbau des Landes zu verbinden, das sie lieben.
Burjanowa sagt, die Aufräum-Raves brächten jene zusammen, die ihre Club-Community während des Krieges verloren hätten. Das helfe ihnen dabei, ein Gefühl von Normalität und Spaß zurückzugewinnen, während zugleich den beschädigten Städten geholfen werde. Die 26-jährige Burjanowa sagt:
Wir vermissen (Partys) und wir wollen zum normalen Leben zurückkehren, aber unser normales Leben ist jetzt Freiwilligenarbeit.
Tanja Burjanowa, Organisatorin von "Repair Together"
Das beschädigte Kulturzentrum liegt am Rand von Jahidne, wo unter der russischen Besatzung der Provinz Tschernihiw fast alle 300 Dorfbewohner wochenlang in einen Keller gezwungen wurden. Die 68-jährige Anwohnerin Nina sagt, sie habe diese schrecklichen Wochen in dem Keller zugebracht, bevor die russischen Soldaten abgezogen seien. Mehrere Menschen seien dort wegen der schlechten Bedingungen gestorben.
Nina sagt über die Freiwilligen: "Sie haben bereits unsere Fenster, Türen und Eingänge repariert".
Wir könnten es mit unseren Gehältern oder Renten nicht selbst schaffen. Ich bin dankbar, dass sie uns geholfen haben.
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
Freiwillige aus vielen Landesteilen und dem Ausland
Die meisten der Freiwilligen sind in ihren 20ern oder 30ern und aus dem etwa zwei Fahrstunden entfernten Kiew angereist. Andere kommen aus Lwiw im Westen des Landes oder aus dem nahe gelegenen Tschernihiw. Einige Freiwillige sind auch aus dem Ausland angereist, sie stammen etwa aus Portugal, den USA oder Deutschland.
Der Einsatz am Kulturzentrum war das achte Projekt der Gruppe bislang. Sie hat bereits dabei geholfen, 15 beschädigte Häuser in Jahidne zu reparieren. Die Gruppe will expandieren und in der nahe gelegenen Stadt Lukaschiwka ein Aufbau-Camp veranstalten und dort zwölf Häuser für Menschen bauen, deren Unterkünfte zerstört wurden, wie Burjanowa sagt.
DJ: Freiwillige wollen an historischem Moment teilhaben
Nach dem Ende eines Sets sagt DJ Oleksandr Butschinskij, alle Freiwilligen verbinde ein Gefühl von Optimismus und Verantwortung. Er betont:
Das sind alles junge Menschen, die noch eine Leidenschaft für das Leben haben, aber sie leiden und sind sehr traurig und wütend wegen des Krieges.
Oleksandr Butschinskij, DJ
"Aber sie verspüren ein Bedürfnis, an diesem historischen Moment teilzuhaben und Menschen zu helfen und die Ukraine mit einem Lächeln auf ihren Gesichtern zu einem besseren Ort zu machen."
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.