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Nach Raketeneinschlag in Polen : Warum Kiew Russland verantwortlich macht

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Ihre Behauptung, eine russische Rakete sei in Ostpolen eingeschlagen, hat die ukrainische Führung inzwischen relativiert. Die Haltung Kiews hat aber Gründe.

Der Ort der Explosion in Przewodów, Polen, nahe der Grenze zur Ukraine
Nach dem Einschlag einer Rakete im polnischen Przewodów laufen UN-Ermittlungen.
Quelle: Poland's President/REUTERS

Als ab Dienstagnachmittag die ersten Informationen über den Raketeneinschlag im ostpolnischen Przewodów bekannt wurden, war den Vertretern der ukrainischen Regierung schnell klar, wer für den Vorfall verantwortlich ist. "Überall dort, wohin die Russische Föderation eindringen kann, tötet sie. Heute drang sie nach Polen ein", twitterte der ukrainische Staatspräsident Wolodomyr Selenskyj auf Polnisch.

Vergleiche mit MH17-Abschuss

"Russland verbreitet nun die Verschwörungstheorie, laut der eine ukrainische Flugabwehrrakete auf polnisches Territorium niedergegangen ist. Was nicht wahr ist. Niemand sollte der russischen Propaganda glauben und diese verbreiteten. Diese Lektion hätte spätestens seit dem Abschuss der MH17 gelernt werden müssen", schrieb wiederum der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba in dem sozialen Netzwerk.

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Die Liste weiterer ukrainischer Politiker, die sich im gleichen Ton über den Raketeneinschlag in Ostpolen äußerten, ließe sich fortsetzen. Verwundern mag jedoch die Tatsache, dass Selenskyj und andere ukrainische Verantwortliche an ihrem Vorwurf, Russland habe die Rakete abgeschossen, auch am Mittwoch festhielten.

Duda und Biden schließen Kiews Version aus

Als eine "Botschaft Russlands an den G-20-Gipfel" bezeichnete der ukrainische Präsident den Raketeneinschlag in Polen und berief sich dabei auf Informationen des ukrainischen Militärs. Zu dem Zeitpunkt schlossen aber sowohl US-Präsident Joe Biden sowie der polnische Staatspräsident Andrzej Duda aus, dass Russland die Rakete abgefeuert habe. Stattdessen sprachen sie von einer ukrainischen Flugabwehrrakete, die laut Duda "unglücklicherweise auf das Territorium Polens gestürzt sei".

Wenn sich Selenskyj "gegen die Einschätzung der Nato wendet", "ohne handfeste Beweise", sei das "mehr als ungeschickt", so ZDF-Korrespondent Hebestreit nach dem Raketeneinschlag.

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Bei den westlichen Partnern der Ukraine sorgten die beharrlichen Aussagen aus Kiew für ein gewisses Kopfschütteln, haben aber durchaus einen plausiblen Hintergrund.

Die ersten Informationen und Reaktionen aus Polen bezüglich des Einschlags wiesen auf eine russische Spur hin.
Andreas Umland, Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien

"Dies schien zunächst auch plausibler, da der Einschlag beziehungsweise die Einschläge tief im polnischen Territorium lagen und sich die S-300-Flugabwehrraketen der Ukraine normalerweise selbst zerstören, wenn sie keine Luftziele treffen", erklärt Andreas Umland, Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien, gegenüber ZDFheute. "Erst später kamen Dementis aus Warschau und Washington, und es entstand eine peinliche Differenz in der Interpretation des Ereignisses."

Wendland: Russland dreht Tatsachen um

Die Osteuropa-Historikerin Anna Veronika Wendland weist zudem noch auf zwei Faktoren hin, die das lange Festhalten der ukrainischen Führung an ihrer Behauptung erklären. "Die Ukraine musste in den vergangenen Jahren immer wieder die Erfahrung machen, dass Russland Taten wie beispielsweise den Abschuss der MH17 nicht nur bestreitet, sondern auch für ihre eigenen Zwecke gegen die Ukraine missbraucht", sagt die Wissenschaftlerin des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung und verweist dabei auf die seit Jahren erhobenen Vorwürfe Moskaus, die Ukraine hätte 2014 das malaysische Passagierflugzeug abgeschossen, obwohl Ermittlungen, die gestern in den Niederlanden auch zu einem Urteil führten, das Gegenteil ergaben.

Zu glauben, dass Raketen an der Grenze haltmachen, sei "naiv", so Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende Verteidigungsausschuss, nach dem Raketeneinschlag in Polen.

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Ein weiterer Grund sind die massiven russischen Raketenschläge auf die kritische Infrastruktur vom vergangenen Dienstag. "Das Atomkraftwerk Chmelnyzkyj mit zwei Reaktoren verlor wegen der Beschädigung einer Hochspannungsleitung seine Netzanbindung. Die Blöcke mussten schnell abgeschaltet werden und konnten neun Stunden lang nur noch von Notstromaggregaten versorgt werden. Und ein Ziel der russischen Angriffe war wohl auch eine Schaltanlage unweit der Grenze zu Polen, über die eine der Leitungen läuft, welche das ukrainische Stromnetz mit dem in Westeuropa verbindet", erläutert Wendland. Offenbar ging man in Kiew also wohl davon aus, dass sich wohl tatsächlich eine russische Rakete nach Polen verirrt hat.

Selenskyj relativiert Aussagen

Dass man mit seiner Position ziemlich alleinsteht, scheint man in Kiew wohl aber verstanden zu haben. In einem Interview mit dem Nachrichtensender Bloomberg bedankte sich Selenskyj nicht nur bei den westlichen Partnern dafür, dass diese die Ukraine nicht zum Schuldigen für den Raketeneinschlag in Polen machen, sondern sagte auch, dass die Ermittlungen noch abgewartet werden müssten und nicht ganz klar sei, ob Russland die Rakete abgeschossen habe.

Aufatmen in der Welt. Kein gezielter Angriff, sondern eine wahrscheinlich verirrte ukrainische Abwehrrakete. Polen und Deutschland raten zu Umsicht, die Ukraine fordert Aufklärung.

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Ob damit bei dem Thema nun aber alle Differenzen zwischen Kiew und dem Westen beseitigt werden, wird auch der Verlauf der Ermittlungen zeigen. Den Einschlagsort in Przewodów dürfen ukrainische Ermittler zwar besichtigen, aber für eine aktive Teilnahme an den Ermittlungen, "bedarf es schon spezifischer vertraglicher Grundlagen im Sinne des internationalen Rechts und internationaler Abkommen", wie Polens Präsident Duda gestern erklärte. 

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