In Chile ist die Wasserversorgung nahezu zu 100 Prozent privatisiert. Nun wird darüber diskutiert, das zu ändern und das Recht auf Wasser in der Verfassung zu verankern.
Eigentlich müsste in Chile in diesen Tagen die Debatte über eine neue Verfassung in vollem Gange sein. Sie war eine Kernforderung der Sozialproteste in dem südamerikanischen Land, an denen sich über Monate Millionen Chilenen beteiligten.
Abstimmung aufgrund der Pandemie verschoben
Die Bevölkerung der Anden-Nation sollte entscheiden, ob das noch aus der Zeit von Diktator Augusto Pinochet stammende Verfassungswerk ersetzt werden und wie dann gegebenenfalls eine Neufassung aussehen sollte.
Jetzt flammt die Wut wieder auf, weil die Corona-Beschränkungen die Not vieler Bürger weiter verschärft.
Doch die Abstimmung wurde verschoben. Die auch in Chile verheerenden Folgen der Corona-Pandemie drängten in den Vordergrund. Abgestimmt werden soll nun am 25. Oktober, wenn es denn die Pandemie zulässt.
Debatte um Zugang zu Wasserversorgung
Etwas aus dem Fokus geriet damit auch ein spezieller Teil der Debatte, der sich um eine Neustrukturierung des Zugangs zu Wasserversorgung dreht. Denn in Chile ist die Wasserversorgung zu nahezu 100 Prozent privatisiert. Der Umweltschützer und Menschenrechtsaktivist Rodrigo Mundaca hebt hervor:
Der Träger des Nürnberger Menschenrechtspreises kritisiert zudem, dass die Wasserrechte sowie die Wasserverteilung in den Händen ausländischer Konzerne oder Investoren seien: "Das bringt auch die Souveränität des Landes in Gefahr."
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Menschenrechtspreis für Mundaca
Rodrigo Mundaca kämpft in Chile für freien Zugang zum Wasser. Das hat ihn selbst in Gefahr gebracht. In Nürnberg wurde er für sein Engagement geehrt.
Regelung geht auf Militärdiktatur zurück
Die Ursache hierfür liegt schon länger zurück: Die chilenische Militärdiktatur verabschiedete Anfang der 1980er Jahre ein Gesetz, das die Wasserrechte privatisierte. Die Folge war, dass sich große Agrar-Unternehmen einen Zugang sicherten, und die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu einem wichtigen Exportzweig der chilenischen Wirtschaft aufstieg.
Den Preis für dieses Geschäft aber zahlten fast durchweg Kleinbauern und indigene Gemeinden, die praktisch von der Nutzung des Wassers ausgeschlossen oder denen der Zugang zumindest praktisch und juristisch erheblich erschwert wurde. Schon 2015 beschrieb Jorge Sandrock von der Hanns-Seidel-Stiftung die Probleme:
Der Besitz von Wasserrechten ist also zugleich entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg eines landwirtschaftlichen Betriebes.
Protestbewegung fordert Recht auf Wasserzugang
Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht, lautet deshalb eine der Forderungen der Protestbewegung in Chile. Und dieser Zugang soll auch in einer neuen Verfassung verankert werden. Eine entsprechende Debatte und der Findungsprozess sollen helfen, mit der Zeit der Militärdiktatur zumindest verfassungsrechtlich abzuschließen.
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"Ein neuer Sozialvertrag und eine neue Verfassung sind die zentralen Forderungen der Demonstrant/innen", kommentierte Ingrid Wehr von der Heinrich-Böll-Stiftung zu Beginn der Proteste im vergangenen Jahr aus Santiago de Chile.
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"Besonders deutlich zeigt sich das am Kampf um das Grundrecht auf Wasser, das in dem Land, das von wachsender Trockenheit betroffen ist, zu einem knappen Gut wurde, dessen Preis jedoch - nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage festgelegt wird", so Wehr. Es eilt, denn Chile befindet sich im trockensten Jahrzehnt seit Beginn der Aufzeichnungen 1915.