Luhansk, Donezk, Cherson: "Referenden" zu Russland-Beitritt
Regionen in Ost- und Südukraine:"Referenden" zu Russland-Beitritt geplant
20.09.2022 | 16:08
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In den ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk und Cherson sind ab Freitag umstrittene "Referenden" über einen Beitritt zu Russland geplant. Zudem auch in Teilen Saporischschjas.
Die von Russland anerkannten "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine wollen noch in dieser Woche in einem umstrittenen Verfahren über einen Beitritt zur Russischen Föderation abstimmen lassen. Das teilten die Regionen am Dienstag mit. Auch in Cherson soll es ab Freitag ein "Referendum" geben, wie die Besatzungsmacht dort mitteilte. Die Scheinreferenden in den drei Regionen sollen demnach vom 23. bis 27. September abgehalten werden.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist auch ein Kampf um Worte. Russland hat Teile im Osten der Ukraine als "Volksrepubliken" anerkannt. Dort sollen nun "Referenden" stattfinden, um über einen Beitritt zur Russischen Föderation abstimmen zu lassen. Auf ähnliche Weise annektierte Russland 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Es handelt sich dabei nach westlicher Einschätzung jedoch lediglich um Scheinreferenden und nicht um freie Abstimmungen.
Daher setzen wir einige Worte aus dem Sprachgebrauch des Kremls in Anführungszeichen. Gleiches gilt auch für die "militärische Spezialoperation", wie Moskau den Angriffskrieg auf die Ukraine nach wie vor nennt.
Ebenso will die russische Militärverwaltung im besetzten Teil der südukrainischen Region Saporischschja über den Beitritt zu Russland abstimmen lassen. Das "Referendum" werde aber nur in den von Moskau kontrollierten Teilen von Saporischschja stattfinden, so der Chef der Militärverwaltung, Wladimir Rogow, am Dienstag. Es sei alles bereit, "in den nächsten Tagen" könne abgestimmt werden, sagte Rogow.
Die Abstimmungen gelten als Reaktion auf die aktuelle ukrainische Gegenoffensive im Osten des Landes. Dabei kommt die Ukraine eigenen Angaben zufolge in der Region Luhansk voran. Cherson ist neben Charkiw der zentrale Fokus der ukrainischen Gegenoffensive.
Kiew will "Bedrohung" mit "Gewalt" abwenden
Die Ukraine kündigt eine gewaltsame Reaktion an. "Die Ukraine wird die russische Frage klären", erklärte der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak, auf Telegram.
Die Bedrohung kann nur mit Gewalt abgewendet werden.
Andrij Jermak, Leiter des ukrainischen Präsidialamts
Die Ankündigung der so genannten Referenden sei eine "Erpressung" durch Moskau, das angesichts der ukrainischen Geländegewinne von der "Angst vor einer Niederlage" getrieben sei.
Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte die geplanten Abstimmungen und erklärte sie für völkerrechtswidrig.
Es sei "ganz, ganz klar, dass diese Scheinreferenden nicht akzeptiert werden können, dass sie nicht gedeckt sind vom Völkerrecht und von den Verständigungen, die die Weltgemeinschaft gefunden hat", sagte Scholz am Dienstag am Rande der UN-Generalversammlung in New York.
Das ist alles nur der Versuch einer imperialistischen Aggression, die dadurch verbrämt werden soll.
Olaf Scholz, Bundeskanzler
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von einer "weiteren Eskalation" des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Das Weiße Haus betonte, die USA würden eine Annexion der ukrainischen Gebiete durch Moskau "niemals" anerkennen.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte in der ARD am Dienstagabend, dass man "eine so genannte Abstimmung mit vorgehaltener Waffe am Kopf niemals akzeptieren kann". Präsident Putin trete "die Vereinten Nationen, das internationale Recht, eigentlich alle Staaten dieser Welt mit Füßen", sagte Baerbock.
Vorhaben erinnert an Krim-Annektion
Russland hatte in der Region Cherson bereits vor einigen Wochen ein "Referendum" vorbereitet. Die Pläne wurden allerdings zunächst ausgesetzt. Beamte aus Cherson forderten die Besatzungsbehörden am Dienstag jedoch erneut auf, "unverzüglich ein Referendum" über einen Anschluss an Russland abzuhalten.
Auf ähnliche Weise annektierte Russland 2014 die ukrainische Halbinsel Krim. International wurde die Abstimmung nicht anerkannt. Auch diesmal ist eine Anerkennung nicht in Sicht.
Medwedew: Russland kann nach Beitritt alle Mittel verwenden - wohl auch Atomwaffen
Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew hatte am Dienstag "Beitrittsreferenden" in den von Moskau besetzten Gebieten in der Ukraine gefordert, um diese unwiderruflich an Russland anzugliedern.
Nach ihrer Durchführung und der Aufnahme der neuen Territorien in den Bestand Russlands nimmt die geopolitische Transformation in der Welt unumkehrbaren Charakter an.
Dmitri Medwedew, Ehemaliger Präsident
Russland könne nach dem Beitritt der Gebiete "alle Mittel des Selbstschutzes" anwenden. Russische Kommentatoren wiesen darauf hin, dass das Atomwaffen einschließe.
Die russische Politologin Tatjana Stanowaja meinte, dass der russische Präsident Wladimir Putin sich nach dem Scheitern seiner ursprünglichen Pläne, die Gebiete rasch einzunehmen, zu den "Beitrittsreferenden" entschieden habe. Nach Aufnahme der Gebiete habe er die Möglichkeit, die Territorien unter Androhung des Einsatzes von Atomwaffen zu verteidigen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung wurden die international nicht anerkannten "Referenden" ohne Anführungszeichen erwähnt. Wir haben den Text entsprechend angepasst.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.