Truss-Rücktritt: "Tories könnten Neuwahlen nicht riskieren"

    Regierungskrise in London:"Tories könnten Neuwahlen nicht riskieren"

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    Der Rücktritt von Truss stürzt London in politisches Chaos. Warum Neuwahlen unwahrscheinlich sind und sich die Labour-Partei über eine Rückkehr Johnsons als Premier freuen würde.

    Die turbulenten Tage in der britischen Politik haben mit dem Rücktritt von Premierministerin Liz Truss einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die chaotischen Szenen bei einer Abstimmung am gestrigen Abend im Parlament haben die kurze Ära Truss schlussendlich beendet, wie ZDF-Korrespondent Andreas Stamm erklärt.

    So was hat man im britischen Parlament noch nie gesehen, und das hat viele Parlamentarier der Konservativen, auch viele in der Bevölkerung, derart aufgeschreckt.

    Andreas Stamm, ZDF-London-Korrespondent

    Doch die Beliebheitswerte von Truss waren bereits zuvor unterirdisch. Der einzige, der bei der britischen Bevölkerung nach Meinungsumfragen noch schlechter dastehe, sei Wladimir Putin, sagt Stamm.

    ZDF-Korrespondent: Tory-Partei riskiert keine Neuwahlen

    Die gesamte konservative Partei befinde sich aktuell in einer existenziellen Krise. Würden sich die Umfragen - getrieben von den derzeitigen Emotionen - in tatsächliche Wahlergebnisse umwandeln, "dann würden hier über 500 Labour-Abgeordnete ins Parlament einziehen und die Tories würden vielleicht bei 20, 30, 40 landen", sagt Andreas Stamm. Das wäre ein Verlust von mehr als 300 Mandaten für die Konservativen.

    Deswegen sind Neuwahlen im Moment ausgeschlossen, weil die Tories das einfach nicht riskieren könnten.

    Andreas Stamm, ZDF-London-Korrespondent

    Oppositionelle Labour-Partei fordert Neuwahlen

    Ähnlich sieht das Ben Bradshaw, Politiker der oppositionellen Labour-Partei und früherer BBC-Korrespondent in Deutschland: Aktuelle Meinungsumfragen zeigten ein verheerendes Bild für die konservative Partei.

    Es ist wirklich eine peinliche Periode für Großbritannien. Wir machen uns lächerlich als Nation.

    Ben Bradshaw, Abgeordneter der Labour-Partei

    Der einzige Ausweg aus dem Chaos seien Neuwahlen, das verlange auch die Bevölkerung, sagt Bradshaw bei ZDFheute live. Das sich die konservative Partei noch lange an der Macht halten kann, glaubt Bradshaw nicht. Dazu sei sie zu gespalten, wie die innerparteilichen Auseinandersetzungen im Parlament am Mittwoch wieder gezeigt hätten - auch ein neuer Premier könne die Torys aus seiner Sicht nicht einen.

    Johnson als Premier wäre "fantastisch" für Labour

    Sollte Boris Johnson erneut von den Konservativen zum Premier ernannt werden, wäre das laut Bradshaw "fantastisch" für seine Labour-Partei. Die breite Bevölkerung lehne ihn aufgrund diverser Verfehlungen als Premierminister ab.

    Wenn Boris Johnson wieder an die Macht käme, dann würde die Labour-Partei ganz groß gewinnen bei den nächsten Wahlen.

    Ben Bradshaw, Abgeordneter der Labour-Partei

    Auch in der eigenen Partei habe Johnson "viel verbrannte Erde" hinterlassen, sagt ZDF-Korrespondent Stamm. An den Gerüchten sei dennoch etwas dran, dass Johnson darüber nachdenke anzutreten. Allerdings habe die Partei der Konservativen inzwischen eine Grenze von 100 Parlamentariern festgelegt, die für einen neuen Premierminister stimmen müssten. "Das soll auch dazu dienen, Boris Johnson zu verhindern", sagt Stamm.

    Wer hat Chancen auf das Amt des Premiers?

    Aus Sicht von Andreas Stamm ist Rishi Sunak, ehemaliger britischer Finanzminister, der große Favorit auf die Nachfolge von Liz Truss. Sunak hat bereits bei der letzten Abstimmung im Finale gestanden, aber damals gegen die nun zurückgetretene Truss verloren.
    "Viele hoffen, dass er es wird, weil er ökonomischen Sachverstand hat", so Andreas Stamm. Dennoch gebe es noch weitere Kandidaten, wie die ehemalige Verteidigungsminister Penny Mordaunt oder der aktuelle Minister der Streitkräfte, Ben Wallace.
    Quelle: ZDF

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