Waffengesetze verschärfen? Warum Experten skeptisch sind

    FAQ

    Nach Reichsbürger-Razzia:Waffengesetze verschärfen - bringt das was?

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    von Nils Metzger
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    Innenministerin Faeser will wegen der Reichsbürger-Razzien und dabei gefundener Schusswaffen das Waffenrecht verschärfen. Doch Experten sind skeptisch.

    Waffen auf einem Tisch
    Härtere Waffengesetze wegen Reichsbürgern? Experten sind nicht überzeugt. (Symbolbild)
    Quelle: colourbox.de

    Bei den Razzien gegen sogenannte Reichsbürger am 7. Dezember sind Behörden auf zahlreiche Waffen gestoßen. Bislang sichergestellt: 93 Waffen, darunter 19 Pistolen und 25 Langwaffen. Ermittler vermuten, dass die Gruppe weitere, bislang unentdeckte Waffenlager angelegt haben könnte. Teils sei bei Beschuldigten Munition ohne zugehörige Waffe gefunden worden.

    Was diskutiert die Politik jetzt?

    Nun fordern Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die Grünen-Fachpolitikerin Irene Mihalic, aber auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) eine Verschärfung der deutschen Waffengesetze. Die FDP spricht sich dagegen aus.

    Halbautomatische Waffen braucht man nicht privat im Besitz zu haben.

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)

    Vorstöße zur Verschärfung des Waffenrechts gab es immer wieder in Folge von Terror oder Amokläufen. Genannt werden nun vor allem zwei Punkte: Ein Verbot halbautomatischer, kriegswaffenähnlicher Schusswaffen in Privatbesitz und ein verbesserter Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden, um Extremisten den Zugang zu Waffen zu erschweren.

    Was sagen Experten zu einem Verbot halbautomatischer Waffen?

    Torsten Seiffert, Anwalt für Waffen- und Jagdrecht bei der Kanzlei SNP Schlawien in Leipzig, sieht trotz Reichsbürgern keinen Grund, das Waffenrecht aktuell zu verschärfen:

    Unser jetziges Waffengesetz ist eines der härtesten in Europa und vollkommen ausreichend - wenn man es richtig anwendet.

    Torsten Seiffert, Anwalt für Waffen- und Jagdrecht

    Insbesondere Faesers Kategorisierung von Waffen als "kriegswaffenähnlich" irritiert den Fachmann: "Waffenrechtlich ist der Begriff 'kriegswaffenähnlich' Käse. Das Aussehen einer Waffe hat nichts mit ihrer Gefährlichkeit zu tun." Kriegswaffen seien per se für den Privatbesitz verboten, und halbautomatische Konversionen von Kriegswaffen "nicht gefährlicher als zivile Selbstladewaffen", so Seiffert zu ZDFheute.
    Der Waffenexperte Lars Winkelsdorf sieht die aktuelle Debatte als einen "Ausdruck von Hilflosigkeit" und eine "aus den USA importierte Mediendebatte". "Straftäter, Rechtsextreme und Terroristen verwenden direkt vollautomatische Waffen vom Schwarzmarkt, die auch deutlich billiger und einfacher verfügbar sind", betont Winkelsdorf.

    Jegliche Gesetzesveränderungen würden sich zunächst nur auf Waffen in legalem Besitz auswirken. Wie viele der bei den Razzien sichergestellten Reichsbürger-Waffen legal sind, kann bislang nicht gesagt werden.

    Mindestens zehn der 93 sichergestellten Waffen seien illegal gewesen, heißt es in einem Schreibens des Bundesinnenministeriums (BMI) an den Innenausschuss des Bundetags. Bei weiteren werde der Status derzeit geprüft.

    Insgesamt würden den 54 derzeit Beschuldigten laut dem Nationalen Waffenregister 94 legale Waffen zugeordnet. Allein 63 davon entfielen auf einen beschuldigten Waffenhändler.

    Wie regulieren deutsche Behörden aktuell Waffenbesitz?

    Rund eine Million private Waffenbesitzer gab es - Stand 2021 - in Deutschland. Auf sie entfallen laut dem Nationalen Waffenregister 5,7 Millionen legale Schusswaffen und Schusswaffenteile, die meisten davon im Besitz von Jägern.
    Das deutsche Waffenrecht ist hochkomplex. Privat eine Waffe besitzen zu dürfen, ist an zahlreiche Auflagen geknüpft. Erwachsene müssen unter anderem Zuverlässigkeit, persönliche Eignung, Sachkunde und ein Bedürfnis nachweisen. "Ein Bedürfnis" können zum Beispiel Jäger oder im Verein organisierte Sportschützen haben.
    Je nach Bedürfnis müssen Jäger, Sportschützen oder Sammler dann unterschiedliche Papiere, etwa Jagdschein, (kleiner) Waffenschein oder grüne/gelbe/rote Waffenbesitzkarte vorweisen. Kontrolliert wird das von Waffenämtern auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte. Seit der jüngsten Gesetzesnovelle 2020 müssen sie etwa alle fünf Jahre überprüfen, ob weiterhin ein Bedürfnis vorliegt.
    Auch das Nationale Waffenregister wurde in diesem Zug ausgebaut: "Damit können die Behörden zu jedem Zeitpunkt genau wissen, wo sich jede einzelne legale Schusswaffe befindet", sagt Seiffert. Auch die Magazingröße für Langwaffen wurde zuletzt auf zehn Schuss begrenzt.

    Wie gehen Waffenbehörden mit Extremisten um?

    Schon jetzt haben Behörden mit §5 des Waffengesetzes eine Grundlage, um Reichsbürgern und anderen Extremisten den Besitz einer Waffe zu versagen - wenn ihnen denn entsprechende Informationen vorliegen.
    Was darunter fällt, wurde 2020 ausgeweitet: Etwa Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation, auch wenn diese nicht verboten ist. So versucht Thüringen, Mitgliedern des AfD-Landesverbandes die waffenrechtliche Erlaubnis zu entziehen. Auch sonstige "einzeln verfolgte Bestrebungen gegen die verfassungsgemäße Ordnung" können Personen ihre Waffen kosten.
    Dass mehrere der nun verhafteten Reichsbürger bis zuletzt legal Waffen besitzen durften, liegt laut Winkelsdorf nicht an vermeintlich laxen Waffengesetzen. "Verfassungsschutzbehörden dürfen bisher und auch in Zukunft nachrichtendienstliche gewonnene Erkenntnisse nicht mit Waffenbehörden teilen."
    Czaja: "Reichsbürgertum" sei "erschreckend"
    Nach der Razzia in der "Reichsbürger"-Szene äußert sich CDU-Generalsekretär Mario Czaja im ZDF besorgt. Man wolle Maßnahmen, die zur Sicherheit beitragen, unterstützen.12.12.2022 | 6:38 min

    Setzen Behörden geltendes Recht optimal um?

    Waffengesetze haben lokalen Aufsichtsbehörden zuletzt also immer mehr Spielraum gegeben, um gegen extremistische Waffenbesitzer vorzugehen. Jurist Seiffert fürchtet hier aber auch eine Willkür der Behörden:
    "Die Entscheidung liegt im Ermessen der jeweiligen Waffenbehörde auf Kreisebene. Mitarbeiter dort können immer häufiger nach Gutdünken entscheiden", so Seiffert. "In den seltensten Fällen gibt es genug fachkundige Mitarbeiter. Die sind total überfordert."
    Auch der Waffensachverständige Winkelsdorf kritisiert das "Nebeneinander von bis zu 600 verschiedenen Behörden".

    Seit 30 Jahren versagt das Waffenrecht vollständig wegen der Überverwaltung. Noch mehr Verwaltung kann und darf nicht die Lösung sein.

    Lars Winkelsdorf, Waffensachverständiger

    Reform des Disziplinarrechts
    :Was tun mit verfassungsfeindlichen Beamten?

    Innenministerin Faeser will, dass es leichter möglich wird, verfassungsfeindliche Beamte aus dem Dienst zu entfernen. Eine gerichtliche Entscheidung wäre dann nicht mehr notwendig.
    von Charlotte Greipl
    Eine Person wird von Polizisten aus einem Hubschrauber gebracht

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