Die WHO warnt vor immer mehr Toten, weil wirksame Antibiotika fehlen. Umweltschützer fordern deshalb ein Verbot von Reserveantibiotika in der Tiermast. Tierärzte halten dagegen.
Als Jan-Gerrit Männich ein kleiner Junge war, diagnostizierten Ärzte bei ihm eine schwere Erbkrankheit - Mukoviszidose. "Natürlich war das damals ein Schicksalsschlag für meine Eltern", erzählt der heute 32-Jährige.
Seine Lunge produziert nicht nur Sauerstoff, sondern auch zähflüssigen Schleim. Das macht sie anfällig für Keime, die schwere Infektionen zur Folgen haben können. Gegen seine chronische Lungenentzündung inhaliert Männich ein Antibiotikum - Colistin. Es wird bei besonders schwerkranken Patienten eingesetzt, bei denen andere Antibiotika nicht mehr wirken. In der Corona-Krise gilt Männich als Risikopatient.
Reserveantibiotika nur im Notfall einsetzen
Reserveantibiotika nennt die Weltgesundheitsorganisation WHO Antibiotika, die in der Humanmedizin nur im Notfall eingesetzt werden sollen. Colistin ist ein solches Reserveantibiotikum, das allerdings nach wie vor für die Tierhaltung zugelassen ist.
Seit Jahren warnt die WHO vor einem Antibiotikanotstand, an dem weltweit Millionen Menschen sterben können. Die Gründe liegen für die stellvertretende Generaldirektorin der WHO, Prof. Hanan H. Balkhy, auf der Hand.
Antibiotika seien extrem wichtig, um das zu erhalten, was wir heute die moderne Medizin nennen, mahnt Balkhy. Ziel müsse sein, insgesamt weniger Antibiotika zu verschreiben und auf Reserveantibiotika so weit wie möglich zu verzichten. Davon ist Deutschland weit entfernt.
Greenpeace: Antibiotikaresistente Keime in Schweinegülle
In der Schweinemast wird Colistin offenbar in großem Stil eingesetzt. Diesen Schluss lässt eine Greenpeace-Stichprobe zu, die dem ZDF-Magazin Frontal21 exklusiv vorliegt.
Danach wurden in elf von 15 Gülleproben Keime nachgewiesen, die gegen Colistin resistent sind.
Die Umweltschutzorganisation fordert deshalb ein Verbot von Reserveantibiotika in Tierställen. Greenpeace hatte Ende vergangenen Jahres Gülle-Proben in mehreren Bundesländern gesammelt und auswerten lassen.
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Im Jahr 2018 wurden in deutschen Ställen rund 722 Tonnen Antibiotika verabreicht. Ihr Einsatz ist laut Landwirtschaftsministerium zwischen 2014 und 2017 insgesamt um rund 30 Prozent gesunken. Das werten viele Landwirtschaftsverbände als Erfolg, verweisen darauf, dass nur mit Absprache eines Tierarztes Antibiotika verabreicht würden.
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Doch auch das Landwirtschaftsministerium ist überzeugt, dass nach wie vor zu häufig Reserveantibiotika wie Colistin eingesetzt werden. Das sei ein "ernstes Problem" sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), als sie die Zahlen präsentierte.
Verbot von Reserveantibiotika in der Tiermast umstritten
"Ich habe absolut Verständnis dafür, dass in der Auswahl von Antibiotika die Humanmedizin immer an erster Stelle genannt wird", sagt Tierarzt Erwin Sieverding. Allerdings könne die Politik nicht einfach nur verbieten. "Ich kann nicht etwas nehmen, ohne was anderes zu geben."
Tierarzt Sieverding berät Landwirte, in deren Hähnchenställen um die 20.000 Tiere gemästet werden. Wenn dort nur wenige Tiere kurz vor der Schlachtung krank werden, gäbe es zum Reserveantibiotikum Colistin kaum eine Alternative. Mit einer Behandlung übers Futter könnten kranke Tiere geheilt und nach einigen Tagen Wartezeit auch geschlachtet werden
"Das hat für mich auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun." Die Interessenvertreter der Agrarindustrie haben angeboten, auf Colistin zu verzichten, aber nur wenn es ein Ersatzmittel gibt. Umweltschützer kritisieren das und fordern von der EU ein generelles Verbot von Reserveantibiotika in der Tiermast.
Noch vertrauen Ärzte und Patienten auf das Antibiotikum Colistin. Resistenzen dagegen sind in Deutschland bisher die Ausnahme. Jan-Gerrit Männich kann nur hoffen, dass das so bleibt: "Für mich wäre es dramatisch wenn es kein ColiFin oder Colistin mehr geben würde für diesen resistenten Keim", sagt Männich.
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