Die russische Armee kämpft in der Ukraine nicht nur gegen deren Streitkräfte. Sondern auch gegen mangelhafte Ausrüstung, schlechte Organisation und sogar gegen das Wetter.
Die russische Armee scheint viel langsamer in der Ukraine voranzukommen als das Expertinnen und Experten gedacht hätten. Woran das liegt:
Das Wetter: Panzer bleiben im Schlamm stecken
Die russische Armee hat sich für ihre Invasion einen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht: die sogenannte Rasputiza, die Zeit der "Wegelosigkeit". Jedes Frühjahr, sobald die Temperaturen steigen und Schnee und Eis schmelzen, verwandeln sich viele Böden in undurchdringliche Schlammwüsten - selbst für Panzer.
Stecken die Fahrzeuge einmal fest, gibt es oft nicht die Möglichkeiten, sie wieder zu befreien. Mannschaften lassen intaktes Kriegsgerät einfach zurück. Wie hier etwa ein moderner russischer T-90-Panzer nahe der ostukrainischen Stadt Sumy:
Eine Folge ist, dass sich Konvois an das Straßennetz halten müssen, um schnell voranzukommen. Dort sind sie wiederum anfällig für ukrainische Hinterhalte. In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Meldungen, dass ukrainische Spezialkräfte und Reservekräfte der Territorial Defense Forces schlecht gesicherte Transporte überfallen und zerstört haben.
Schlechte Kampfmoral: Abgelaufenes Essen und wenig Informationen
Im Netz kursieren zahlreiche Videos, die auf Unzufriedenheit unter russischen Truppen hindeuten: Abgelaufene Rationen und kaum Informationen von den Kommandeuren.
Soldaten sagten nach ihrer Gefangennahme durch die Ukraine auch, dass ihnen vorab nicht mitgeteilt worden sei, dass sie in die Ukraine einmarschieren würden. Sie rechneten demnach mit Trainingseinsätzen oder glaubten an die offizielle Version der russischen Regierung von einer "Spezialoperation" zur Befreiung der ukrainischen Bevölkerung.
- CIA-Profil: Inside Putins Kopf
Die CIA lässt detaillierte Persönlichkeitsprofile von Machthabern erstellen, um deren Verhalten einordnen zu können. Auch zu Präsident Putin gibt es solche Einschätzungen.
Mangelhafte Ausrüstung: Die Radlosigkeit der russischen Streitkräfte
Der US-Amerikaner Trent Telenko ist Spezialist für Militär-Lkw. Er sieht Anzeichen dafür, dass die russischen Streitkräfte auch von schlechter Wartung ihrer Fahrzeuge ausgebremst werden, wie er auf Twitter schreibt.
Anders als kommerzielle Lastwagen sind Militär-Lkw meist nicht konstant in Bewegung, sondern warten in Depots auf ihren Einsatz. Telenko betont, dass auch diese Fahrzeuge regelmäßig bewegt und gewartet werden müssten, um keine Schäden, zum Beispiel durch konstante Sonneneinstrahlung, zu nehmen.
"Wenn man die Räder von Militär-Trucks über Monate an einem Ort belässt, werden die Seitenwände brüchig", so Telenko. Selbst über kurze Distanzen könnten sie dann reißen. Genau das beobachte er aktuell bei vielen liegen gebliebenen russischen Fahrzeugen.
Wie viel russisches Gerät auf der Strecke bleibt, das versucht das Blog "Oryx" zu sammeln. Dort verifizieren Militärexperten Verlustmeldungen in Konflikten weltweit. Von den aktuell 618 Fahrzeugen, die Russland seit Kriegsbeginn verloren haben soll, seien 365 intakt zurückgelassen oder von Ukrainern übernommen worden, so die "Oryx"-Statistik.
- Russlands Militär passt seine Strategie an
Die Ukraine-Invasion läuft nicht wie geplant, Moskau passt sein Vorgehen an. Russland hat noch viele Kräfte in der Hinterhand. Die nächste Phase könnte noch aggressiver werden.
Militärreform: Doch nicht so viel Hightech wie gedacht
2008 hatte Russland eine große Militärreform angestoßen. Die Streitkräfte sollten modernisiert, alte sowjetische Ausrüstung durch Neuentwicklungen ersetzt werden. Doch die Invasion zeige, dass dieses moderne Kriegsgerät noch nicht in der Breite angekommen ist - meint Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Bundeswehr-Universität München.
Am Donnerstag sagte er im ZDF heute journal:
Selbst grundlegende Dinge in Sachen Operationsführung würde das russische Militär aktuell nicht beachten, so Masala. Die Probleme fasste er so zusammen:
Das gesamte Interview mit Carlo Masala sehen Sie hier:
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- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.