Immer wieder wurde im Ukraine-Krieg auch vor dem Einsatz atomarer Waffen gewarnt. Wie viele Atomwaffen hat Russland? In welchem Zustand sind sie? Und würde Putin sie einsetzen?
Ein Interview des US-Senders CNN mit dem Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag hat weltweit neue Sorgen vor einem Einsatz von Atomwaffen ausgelöst. In dem Interview wurde Peskow gefragt, ob Wladimir Putin den Einsatz von Atombomben ausschließen könne.
Peskows Antwort: Atombomben würden nur gemäß der bekannten russischen Sicherheitsdoktrin eingesetzt, wenn eine "existenzielle Bedrohung" des Landes bestehe. Experten sehen diese Aussagen nicht als akute Drohung, sondern als eine Wiederholung der bisherigen russischen Nukleardoktrin.
"Moskau weiß, dass wir vor dem 3. Weltkrieg Angst haben, dass das eine verwundbare Stelle im öffentlichen Bewußtsein ist", sagt Gustav Gressel, Experte für Sicherheitspolitik beim European Council of Foreign Relations.
Wie sieht die russische Sicherheitsdoktrin für Atomwaffen aus?
Am 2. Juni 2020 hat Russlands Präsident Putin ein Dekret unterzeichnet, das die Prinzipien der nuklearen Abschreckungspolitik Russlands zusammenfasst. Darin heißt es: "Die staatliche Politik der nuklearen Abschreckung ist ihrer Natur nach defensiv" und die "Russische Föderation betrachtet die Kernwaffen ausschließlich als Mittel der Abschreckung, dessen Einsatz als äußerstes Mittel zur Anwendung kommt".
Dieses siebenseitige Dokument lässt allerdings "sehr viele Interpretationsmöglichkeiten zu", was absolut typisch sei für Nukleardoktrinen, erklärt Dr. Ulrich Kühn vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) gegenüber ZDFheute.
Wie viele Atomwaffen hat Russland aktuell?
"Wir wissen - öffentlich zugänglich - nicht viel über das russische Atomarsenal", erklärt Kühn. Angaben über das russische Atomwaffenarsenal beruhen auf Schätzungen. Sehr systematisch schätzen seit 1987 die Wissenschaftler*innen der Federation of American Scientists in ihrem Nuclear Notebook. Dort werden jedes Jahr für alle Staaten, die Atomwaffen besitzen, Berichte veröffentlicht über die Menge und den Zustand von Raketen und Sprengköpfen. Grundlage der Berichte sind öffentlich zugängliche Daten.
Diesen Berichten zufolge umfasst das russische Arsenal im Frühjahr 2022 insgesamt 5.977 nukleare Sprengköpfe, wovon jedoch etwa 1.500 bereits ausgemustert sind und im Laufe der Zeit im Rahmen bilateraler Verträge zerstört werden sollen. Bleiben also 4.477 Atomsprengköpfe.
Von diesen sind geschätzte 1.588 aktive und einsatzfähige Atomsprengköpfe: etwa 812 auf landgestützten ballistischen Raketen, etwa 576 auf U-Boot-gestützten ballistischen Raketen und möglicherweise 200 auf Stützpunkten für schwere Bomber. Ungefähr weitere 977 strategische Sprengköpfe sind zusammen mit etwa 1.912 nicht-strategischen Sprengköpfen eingelagert.
-
-
In welchem Zustand sind die russischen Atomwaffen?
Auch darüber könne man bestenfalls spekulieren, meint Experte Kühn. Die Sprengköpfe haben nur eine begrenzte Haltbarkeit von einigen Jahrzehnten. Sie müssen regelmäßig von Physikern überprüft werden, ob sie noch funktionstüchtig sind. Was man aber sicher wisse, ist, "dass Russland in den letzten zehn Jahren massiv in die Modernisierung seiner Nuklearstreitkräfte investiert hat, und zwar in die entsprechenden Trägersysteme". Beobachtet werden konnten unter anderem:
- Eine ganze Reihe neuer Kurzstreckensysteme
- Die Entwicklung eines neuen Marschflugkörpers, die nicht endgültig bewiesen ist, aber zumindest zum Ende des INF-Vertrags beigetragen hat
- Neue schwere Interkontinentalraketen
- Die Entwicklung von "exotischen Waffen" wie die kürzlich in der Ukraine eingesetzte Hyperschallrakete "Kinschal" oder etwa Unterwasserdrohne "Poseidon"
Bei Angriffen auf Mykolajiw soll auch die russische Hyperschallrakete Kinschal eingesetzt worden sein.
Kühn gibt dabei zu bedenken, dass nicht nur Russland atomar aufgerüstet hat, sondern auch die USA: Die Amerikaner seien historisch betrachtet schneller gewesen mit der Entwicklung bestimmter Systeme, und die Sowjets haben nachgezogen und nachgerüstet. Währenddessen hatten die Amerikaner Gelegenheit zu modernisieren.
-
Ist ein russischer Atomschlag ein realistisches Szenario?
Strategisch läuft der Krieg in der Ukraine schlecht für Putin. Die Sanktionen sind hart und der Westen liefert der Ukraine weiter Waffen. Das könnte Putin an einen Punkt bringen, dass er Nuklearwaffen einsetzt, meint Kühn. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit aktuell noch recht klein ist.
Es gibt im Westen seit gut 15 Jahren eine Diskussion darüber, ob Russland eine geheime Nukleardoktrin hat, die sich "escalate to deescalate" nennt, also "Eskalieren um zu Deeskalieren", erklärt Kühn. Damals habe es Überlegungen im militärisch strategischen Umfeld der Russen gegeben, ob Moskau "eine oder wenige taktische Nuklearwaffen einsetzen könnte" wenn Russland in einem konventionell geführten Krieg zu unterliegen droht. Russland würde in diesem Szenario also Nuklearwaffen einsetzen, um die Gegenseite zu stoppen.
Seit etwa zehn Jahren gebe es außerdem eine zweite Interpretation der russischen Nukleardoktrin, dass auch ein offensiver Einsatz gerechtfertigt sein könnte. Dabei könnte Russland einen sogenannten "Demonstrationsschlag" ausführen, zum Beispiel einen taktischen Sprengkopf über der Ostsee zünden, um die Nato von einem Einsatz abzuschrecken.
- Bleiben Sie auf Stand mit dem ZDFheute Update
Das Aktuellste zum Krieg in der Ukraine und weitere Nachrichten kompakt zusammengefasst als Newsletter - morgens und abends.
Wie könnte der Westen darauf reagieren?
Es sei absolut zu hoffen, dass die USA nicht im gleichen Maße zurückschlagen, sollte es zu einem Einsatz von Nuklearwaffen durch Russland kommen, meint Kühn.
Der Westen solle daher die ganze Welt versammeln und den Einsatz verurteilen. Sanktionen noch ausweiten und Russland weiter isolieren.
-
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Liveblog- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.
Aktuelle Nachrichten zur Ukraine
-
Mein ZDF - Registrierung
Login mit ARD-Konto
Wenn du bereits ein ARD-Konto angelegt hast, kannst du dich damit hier einloggen.
Mein ZDF – Neues Konto anlegen
Passwort vergessen?
Hinweis: Bitte trage hier die E-Mail-Adresse ein, mit der du dich für dein ZDF-Konto registriert hast.
Uups, die Registrierung ist fehlgeschlagen
Die Aktivierung deines Accounts hat leider nicht geklappt. Möglicherweise ist der Aktivierungslink bereits abgelaufen oder es gibt gerade technische Probleme.
Nochmal versuchenUups!
Die Anmeldung ist im Moment leider nicht möglich. Bitte versuche es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.
Sie haben sich mit diesem Gerät ausgeloggt.
Sie haben sich von einem anderen Gerät aus ausgeloggt, Sie werden automatisch ausgeloggt.
Ihr Account wurde gelöscht, Sie werden automatisch ausgeloggt.
Altersprüfung durchführen?
Um Sendungen mit einer Altersbeschränkung zu jeder Tageszeit anzuschauen, kannst du jetzt eine Altersprüfung durchführen. Dafür benötigst du dein Ausweisdokument.
Hinweis!
Du wechselst in den Kinderbereich und bewegst dich mit deinem Kinderprofil weiter.
Datenschutzeinstellungen
An dieser Stelle würden wir dir gerne die Datenschutzeinstellungen anzeigen. Entweder hast du einen Ad-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiviert, welcher dies verhindert, oder deine Internetverbindung ist derzeit gestört. Falls du die Datenschutzeinstellungen sehen und bearbeiten möchtest, prüfe, ob ein Ad-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiv ist und schalte es aus. So lange werden die standardmäßigen Einstellungen bei der Nutzung der ZDFmediathek verwendet. Dies bedeutet, das die Kategorien "Erforderlich" und "Erforderliche Erfolgsmessung" zugelassen sind. Weitere Details erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Datenschutzeinstellungen
An dieser Stelle würden wir dir gerne die Datenschutzeinstellungen anzeigen. Möglicherweise hast du einen Ad/Script/CSS/Cookiebanner-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiviert, welcher dies verhindert. Falls du die Webseite ohne Einschränkungen nutzen möchtest, prüfe, ob ein Plugin oder ähnliches in deinem Browser aktiv ist und schalte es aus.