Offenbar heftige Angriffe auf Charkiw und Kiew, Ukraine stellt Antrag auf EU-Beitritt, UNO-Sondersitzung und die EU-Sanktionen zeigen erste Wirkung.
Russische Truppen belagern weiter mehrere große Städte in der Ukraine. Bei einem Luftangriff auf das Zentrum von Charkiw kamen mindestens 10 Menschen ums Leben und ein über 60 km langer russischer Militärkonvoi bewegt sich auf Kiew zu.
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Was im Ukraine-Krieg am Dienstag, den 1. März, passiert - die aktuellen Entwicklungen finden Sie hier im Überblick:
- So verlief der Dienstag in der Ukraine
Kiew bereitet sich auf einen russischen Großangriff vor. Außenministerin Baerbock wirft Russland "dreiste Lügen" vor. Der sechste Kriegstag.
Offenbar heftige Angriffe auf Kiew und Charkiw
Am fünften Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine hat es erste Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew gegeben. Unterdessen gehen die Kampfhandlungen in der Ukraine weiter. Besonders umkämpft: die Metropolen Kiew und Charkiw.
Fünfter Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine, die Explosionen dauern an, mehr und mehr Menschen fliehen. Einige leisten friedlichen Widerstand – gegen Panzer.
Im Folgenden fassen wir für Sie die wichtigsten Entwicklungen zusammen - permanent aktualisiert. Weitere Updates zur Lage und Reaktionen finden Sie auch in unserem Liveblog zum Angriff auf die Ukraine.
Was im Russland-Ukraine-Konflikt aktuell passiert:
- Die Gespräche an der ukrainisch-belarussischen Grenze zwischen Moskau und Kiew endeten nach mehr als fünf Stunden ohne greifbares Ergebnis. "Wir reisen zu Beratungen in die Hauptstädte zurück", sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. Der Leiter der russischen Delegation, Wladimir Medinski, sagte der Agentur Interfax zufolge: "Wir haben vor allem vereinbart, den Verhandlungsprozess fortzusetzen." Das nächste Treffen sei in den kommenden Tagen an der polnisch-belarussischen Grenze geplant.
- Kurz nach Ende einer ersten Runde von Friedensverhandlungen zwischen Russen und Ukrainern hat es in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Medienberichten zufolge mindestens zwei große Explosionen gegeben. Aus Charkiw meldeten die Nachrichtenagentur Unian und andere Medien mindestens drei Einschläge. Auch in anderen Gebietshauptstädten wurde Luftalarm ausgelöst. Unian veröffentlichte zudem ein Video, das einen großen Feuerball am Abendhimmel von Kiew zeigt. Der Bürgermeister Charkiws, Ihor Terechow, sagte dem "Spiegel" am Telefon, es würden Wohnblöcke beschossen und Zivilisten getötet. "Das ist ein Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung."
- Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach Einschätzung von Generalinspekteur Eberhard Zorn die Verteidigungsbereitschaft von Soldaten und Zivilisten in der Ukraine unterschätzt. "Was wir erleben, ist ein sehr tapfer kämpfendes Heer der ukrainischen Streitkräfte, unterstützt durch die Zivilbevölkerung und durch eine kluge Aufstellung", sagte Deutschlands ranghöchster Soldat am Montagabend im ZDF heute journal:
sagt Eberhard Zorn, Generalinspekteur der Bundeswehr, zu Putins Atomwaffendrohung. Er könne nicht erkennen, dass konkrete Alarmierungsmaßnahmen ergriffen wurden. Putin habe die Verteidigungsbereitschaft der Ukraine unterschätzt.
- Das ukrainische Militär geht davon aus, dass belarussische Truppen in Richtung der Ukraine unterwegs sind. "Einige Einheiten der kampfbereitesten Formationen der belarussischen Streitkräfte haben begonnen, sich zur Staatsgrenze der Ukraine in Richtung Wolhynien zu bewegen", schrieb der ukrainische Generalstab am Montag auf Facebook. Diese Informationen ließen sich nicht unabhängig prüfen. Wolhynien ist eine Region im Nordwesten der Ukraine.
- Die Bundeswehr hat Aufklärungsflüge über dem Ostsee-Raum gestartet. Dabei würden spezialisierte Tornado-Maschinen eingesetzt sowie der Seefernaufklärer P3C Orion der Marine, schrieb die deutsche Nato-Delegation am Montag auf Twitter. Die Tornados gehören zum Taktischen Luftwaffengeschwader 51 "Immelmann" in Jagel (Schleswig-Holstein).
- Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte, dass nach der Anordnung von Präsident Wladimir Putin die Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt worden seien. Das gelte für alle ihre Komponenten: die Abteilung für strategische Raketen, die für bodenbasierte Interkontinentalraketen zuständig ist, die Nord- und Pazifikflotte, die über Interkontinentalraketen verfügen, die von U-Booten abgefeuert werden können, und die atomwaffenfähigen russischen Bomber.
Unsere Themen: Die Situation der ukrainischen Flüchtlinge / Der Zustand der Bundeswehr / Flüchtende Heimkinder aus Kiew
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr rief die russischen Soldaten zur Waffenniederlegung auf. "Legt eure Waffen nieder, verschwindet von hier, glaubt nicht euren Kommandanten, glaubt nicht euren Propagandisten. Rettet einfach euer Leben", sagte er in einer Videoansprache. Ihm zufolge seien seit der Invasion mehr als 4.500 russische Soldaten gestorben.
- Selenskyj unterzeichnet nach eigenen Angaben eine formelle Bitte um die Aufnahme seines Landes in die Europäische Union. Aus hochrangigen EU-Kreisen verlautet, dies könne für die Staats- und Regierungschefs ein Thema bei einem inoffiziellen Gipfel im März sein.
- Landesweit sind seit Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine laut Gesundheitsministerium mindestens 352 Zivilisten getötet worden, darunter 14 Kinder. Es gebe obendrein mindestens 1.700 verwundete Zivilisten, darunter seien 116 Kinder. Die Zahlen waren am Sonntag veröffentlicht worden. Russland hat eingeräumt, dass eine nicht genannte Zahl seiner Soldaten getötet oder verletzt worden seien.
- Angesichts von Berichten über russische Angriffe auf Zivilisten in der Ukraine hat das UN-Kinderhilfswerk Unicef sich besorgt gezeigt. "Die Situation für Kinder, die in den Konflikt in der Ukraine verwickelt sind, wird von Minute zu Minute schlimmer", teilte die Organisation am Montag in New York mit. Man erhalte Berichte über getötete und verletzte Kinder nach dem Beschuss von Krankenhäusern, Schulen, Wasser- und Sanitäreinrichtungen und Waisenhäusern sowie dem Einsatz von Explosivwaffen in besiedelten Gebieten. Eine Feuerpause sei notwendig, um den Zugang für humanitäre Hilfe zu ermöglichen.
- Mehr als halbe Million Menschen sind seit der Invasion aus der Ukraine geflohen, das gab der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, auf Twitter bekannt:
Die Sanktionen und ihre Folgen:
- Die Europäer und ihre Verbündeten sind bereit zu weiteren Sanktionen gegen Russland wegen des Einmarschs in der Ukraine. Das teilte die französische Präsidentschaft am Montagabend nach einer Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Polen, Rumänien, den USA, Kanada und Japan sowie Vertretern der EU und der Nato mit. Die Strafmaßnahmen könnten "in den kommenden Tagen" verhängt werden, erklärte der Elysée-Palast.
- Frankreich bereitet zudem die Beschlagnahmung von russischen Vermögenswerten vor. Davon betroffen seien Güter von russischen Funktionären und Oligarchen, die auf der EU-Sanktionsliste stünden, sagte Finanzminister Bruno Le Maire am Montag.
- Auch die traditionell neutrale Schweiz hat sich den EU-Sanktionen gegen Russland in vollem Umfang angeschlossen. Das Fürstentum Monaco schloss sich ebenfalls an.
- Ein Kreml-Sprecher nannte die neuen Sanktionen unter anderem gegen die russische Zentralbank schwerwiegend. Russland könne den Schaden aber kompensieren. Der Rubel verlor am Montag zeitweise bis zu 30 Prozent an Wert, erholte sich aber dann wieder etwas.
- Die russische Zentralbank reagiert mit einer drastischen Zinserhöhung auf die Währungskrise infolge westlicher Sanktionen. Der Leitzins steigt von 9,5 auf 20 Prozent, wie die Währungshüter in Moskau ankündigten.
- Die Moskauer Börse bleibt geschlossen. Angesichts der Lage werde der Handel ausgesetzt, teilte die russische Notenbank am Montag mit. Wann am Dienstag gehandelt werden soll, will die Notenbank nach eigenen Angaben dann am Dienstag entscheiden.
- Russland sperrt seinen Luftraum für Airlines aus Deutschland und Dutzenden weiteren Ländern.
Nach Einschätzung von Erich Vad, Brigadegeneral a.D., verlangsamt sich der russische Vormarsch. Präsident Putin stehe unter Druck und drohe nur deshalb atomar.
Wie Deutschland und die Welt reagieren:
- Die Türkei untersagt Kriegsschiffen die Durchfahrt durch den Bosporus und die Dardanellen. Außenminister Mevlüt Cavusoglu beruft sich auf den Vertrag von Montreux aus dem Jahr 1936. Demnach ist die Durchfahrt der Meerengen in Kriegszeiten eingeschränkt.
- Der Luftraum über allen EU-Staaten ist für russische Flugzeuge komplett gesperrt. Das Verbot trat in der Nacht zum Montag mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Deutschland hat seinen Luftraum bereits seit Sonntagnachmittag für Flüge nach Deutschland sowie für Überflüge russischer Maschinen gesperrt. Auch Kanada sperrte seinen Luftraum für russische Flugzeuge.
- US-Präsident Biden hat sich mit Bundeskanzler Scholz und anderen Verbündeten beraten. Teilnehmer waren neben Scholz und Biden Frankreichs Präsident Macron und die Staatschefs von Italien, Japan, Polen, Rumänien, Großbritannien sowie Kanada. Außerdem hätten EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen, EU-Ratspräsident Michel und Nato-Generalsekretär Stoltenberg teilgenommen. Das Weiße Haus teilte anschließend mit, es "um unsere gemeinsame Reaktion auf den ungerechtfertigten und unprovozierten Krieg Russlands gegen die Ukraine" gegangen.
- Die EU wird eine halbe Milliarde Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen.
- Brüssel hilft nach Angaben von EU-Außenbeauftragtem Josep Borrell der Ukraine außerdem mit Satellitenaufklärung. Das Satellitenzentrum in Madrid sei beauftragt worden, der Ukraine Informationen über russische Truppenbewegungen zu liefern, sagt Borrell.
- Norwegen und Finnland schicken der Ukraine Waffen für den Kampf gegen Russland. Das teilten die Regierungen der beiden Länder am Montagabend mit.
- Die russische Regierung nennt die deutsche Entscheidung zur Lieferung von Waffen an die Ukraine eine "empörende Geste". Dies erklärt die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa.
- Der Fußball-Weltverband FIFA und die Europäische Fußball-Union UEFA haben am Montag Russland von allen Wettbewerben suspendiert.
- An der Friedensdemonstration in Köln haben nach Angaben von Polizei und Veranstaltern rund 250.000 Menschen teilgenommen.
In Köln gab es keinen Rosenmontagszug, trotzdem waren mehr als 200.000 Menschen auf der Straße. Sie wollten mit einem Friedenszug ein Zeichen gegen den Krieg in der Ukraine setzen.
- Die beiden wichtigsten Gremien der Vereinten Nationen - die 193 Mitglieder zählende UN-Vollversammlung und der 15-köpfige Weltsicherheitsrat - traten am Montag zusammen. In Genf beschloss der UN-Menschenrechtsrat eine eigene Dringlichkeitssitzung. Die Versammlung sollte allen UN-Mitgliedern die Möglichkeit geben, sich zu dem Krieg zu äußern und im Verlauf der kommenden Tage über eine Resolution abzustimmen. In dem Resolutionsentwurf, der der Nachrichtenagentur AP vorlag, wurde Russland aufgefordert, seinen Angriff auf die Ukraine sofort einzustellen und alle Truppen abzuziehen. Gefordert wurde eine umgehende friedliche Lösung durch Dialog und Verhandlungen.
Was zuvor im Ukraine-Krieg passiert war
Russland hatte am Donnerstagmorgen mit einem Großangriff auf die Ukraine begonnen. Innerhalb weniger Stunden waren die russischen Bodentruppen bis in den Großraum Kiew vorgedrungen. Die Hauptstadt steht im Fokus der Angriffe im Ukraine-Krieg. So verlief Tag 4 der Invasion - zusammengefasst hier im Video:
Der Krieg in der Ukraine setzt sich fort. Putin reagiert auf Westliche Sanktionen und versetzt russische Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft. Der Präsident der Ukraine stimmt Verhandlungen mit Russland zu.
Aber wie konnte es zu diesem Konflikt überhaupt kommen? Ein Blick zurück in die Historie:
- Chronik: Wie konnte die Lage so eskalieren?
Nato-Osterweiterung, Maidan-Proteste, Krim-Annexion: Entdecken Sie im Zeitstrahl die Hintergründe des Russland-Ukraine-Konflikts.