Oppositionelle werden eingesperrt, Andersdenkende ins Ausland getrieben, Journalisten unter Druck gesetzt - jeder kann ins Visier geraten. Die Freiheit in Russland schrumpft.
Schlagstöcke gegen Protestierende, Verhaftungen von Oppositionellen, Vertreibung von Andersdenkenden: Russland geht immer härter gegen die vor, die nicht ins System Putin passen.
"Die Fußfessel wird nicht scheuern" - eine Durchhalteparole von Natalja Tischkewitsch, Journalistin in Moskau. Seit April steht sie unter Hausarrest, weil sie für das Moskauer Studentenmagazin DOXA berichtet hatte. Über Massenproteste, die Russlands Führung lieber totgeschwiegen hätte. Sie ist nur ein Beispiel von vielen, wie das System von Staatschef Wladimir Putin kritische Stimmen zum Schweigen bringen will.
Fußfessel und zwei Stunden Freiheit pro Tag
Natalja klärte Studierende in einem Video über ihre Rechte auf, dass man fürs Protestieren nicht exmatrikuliert werden dürfe. Auf Druck der Behörden wurde der Clip gelöscht. Angeklagt werden Natalja und drei andere trotzdem. Der Vorwurf: Anstiftung Minderjähriger zu illegalen Handlungen. Bis zum Prozess darf sie nur raus, wenn sie sich bei einem Polizeibeamten an- und abmeldet. Zwei Stunden am Tag - mehr Freiheit ist nicht drin.
Vom Leningrader Hinterhof in den Moskauer Kreml: Die Reihe zeigt Wladimir Putins Aufstieg an die Macht und lässt Journalisten, Russland-Experten und Wegbegleiter zu Wort kommen.
Journalisten werden zu ausländischen Agenten
Die Repressionen in Russland haben diesen Januar an Tempo gewonnen, als Hunderttausende im ganzen Land die Freilassung von Alexej Nawalny forderten. Dabei ging es um mehr als den Kremlkritiker: Wer für Nawalny auf die Straße ging, ging auf für sich selbst auf die Straße - für sein eigenes Leben, seine eigene Freiheit. Polizeikräfte schlugen die Proteste nieder. Tausende Menschen wurden verhaftet. Berichterstattung: unerwünscht.
Wer es doch wagt, kann schnell als ausländischer Agent gebrandmarkt werden. So auch Doschd, der letzte unabhängige Sender in Russland. Reporter Alexej Korosteljow berichtet:
Ausländischer Agent. Eine Stigmatisierung mit ernsthaften Folgen: Alles, was Doschd veröffentlicht, muss als Produkt eines ausländischen Agenten gekennzeichnet werden. Alle Einnahmen und Ausgaben dokumentiert, sonst drohen hohe Geldstrafen.
Geflohen für sexuelle Freiheit
Andersdenkende, Andersfühlende werden in Russland systematisch ausgeschlossen. Homosexualität, LGBT - wer nicht ins Schema F passt und sich offen zu seiner sexuellen Identität bekennt, wird an den öffentlichen Moral-Pranger gestellt, erzählt Aktivistin Yuma. Die LGBT-Aktivistin machte mit ihrer queeren Familie für eine Lebensmittelkette bei einer Werbekampagne mit.
Sie sind traumatisiert vom Spießrutenlauf, von den Anfeindungen, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. Letzter Ausweg: Flucht.
Jetzt leben sie in Barcelona und werden in Spanien vom Roten Kreuz unterstützt. Sie haben eine kleine Wohnung am Stadtrand. Der Antrag auf Asyl läuft. Eine Rückkehr in die Heimat scheint derzeit unmöglich.
Der Angriff auf die Freiheit verändert Russland. Offene Kritik erfordert viel Mut. Den haben nur noch wenige. Trotzdem: Diejenigen, die sich noch trauen, sind fest entschlossen, den Kampf für eine freie Zukunft in Russland nicht aufzugeben.