Ein Sturz Selenskyjs? Das sei nicht geplant, sagte Russlands Außenminister Lawrow noch im April. Warum er dieses Kriegsziel nun ausgibt, erklärt Militärexperte Richter.
Neue, scharfe Töne von Seiten Russlands im fünften Monat des Angriffs auf die Ukraine. Außenminister Sergej Lawrow machte am Sonntagabend bei einem Gipfel der Arabischen Liga im Kairo klar, worum es seinem Land im Krieg gehe. Man strebe einen Regimewechsel in Kiew an. Genauer: Selenskyj soll gestürzt werden.
Immer wieder nannte Russland unterschiedliche Motive für den Angriff auf den Nachbarn - nun wurde ein Regimewechsel in der Ukraine als Kriegsziel benannt.
Welche Ziele verfolgt Moskau?
Oberst a.D. Wolfgang Richter ist Russland- und Osteuropa-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er habe seit Kriegsbeginn "unterschiedliche Vorstellungen aus Moskau über die Kriegsziele" der russischen Regierung identifiziert, sagt Richter bei ZDFheute live.
Dazu gehörte eine sicherheitspolitische Begründung sowie eine "historische Analyse" Putins, die das ukrainische Volk und Territorium Russland zuordnen solle, so Richter weiter. Das dritte genannte Kriegsziel sei der Schutz einer angeblich pro-russischen Minderheit im Donbass. Nun komme noch das Ziel eines Regimewechsels dazu. Die Wahrscheinlichkeit, alle Ziele zu erreichen, ist laut Richter gering:
- Selenskyj: "Wir werden gewinnen"
Heute vor fünf Monaten begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Deren Präsident Selenskyj zeigt sich bei Telegram siegessicher.
Wie wahrscheinlich ist ein Sturz Selenskyjs?
Einen tatsächlichen Sturz Selenskyjs hält Richter für eher unwahrscheinlich. Eine Einnahme Kiews habe Russland bereits zu Kriegsbeginn versucht - ohne Erfolg: "Wir müssen festhalten, dass ein Versuch ja schon im März gemacht worden ist, vom Norden her Kiew einzunehmen." Auch für ein anderes Szenario wie ein Attentat sieht Richter nur eine geringe Wahrscheinlichkeit: "Wir sind hier im Bereich der Spekulationen."
Selbst ein vollzogenes Attentat müsse nicht den Sieg Russlands über die Ukraine bedeutet: "Der Widerstand wird nicht nur an Selenskyj liegen. Es gibt genügend Führungsfiguren in der Ukraine, die das weitertragen." Richter geht noch weiter:
Welche Perspektive für ein Kriegsende gibt es?
"Wahrscheinlich wird es am Ende entscheidend sein, wer über die größeren Ressourcen verfügt, die man in eine solche Materialschlacht hineinwerfen kann", sagt Richter mit Blick auf ein mögliches Kriegsende.
Auch die russische Regierung müsse zu einem Schluss kommen, der abwäge, was tragbar sei: Weitere hohe militärische Ziele in Kauf zu nehmen oder an einem gewissen Punkt zu sagen "Das war es jetzt", so Richter. Durch seine verschiedenen Kriegsziele habe Putin jedoch die Möglichkeit, verschiedene Szenarien als Sieg an die russische Bevölkerung zu verkaufen:
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.