Moskau, die Ukraine, Nord Stream 2: Die SPD tut sich gerade schwer damit, sich zu positionieren. Zumal klare Signale von Scholz, Esken und Co. erst sehr spät gekommen sind.
Lange hat der Bundeskanzler gebraucht, seine Haltung zu ändern. Wochenlang fiel Olaf Scholz (SPD) durch Schmallippigkeit auf. Seine Standardformel zu Nord Stream 2 lautete: Das sei ein rein privatwirtschaftliches Vorhaben.
Eine Sicht, die außerhalb der SPD kaum jemand teilte. Bei den Koalitionspartnern nicht, bei den internationalen Verbündeten schon gar nicht.
Scholz steuert bei Nord Stream 2 um
Alles komme auf den Tisch, hat Scholz jetzt verkündet. Der Kanzler steuert also um, dennoch weiß man bei seiner Partei nicht, wie sie sich zu Russland verhält. Die Meinung in der SPD bleibt geteilt.
Da gibt es die eine Gruppe, die sich der aktuellen Gefahr, die eine Flugstunde von Berlin an der ukrainischen Grenze zu Russland lauert, sehr bewusst ist. Die neben Gesprächen und Verhandlungen auch mit Sanktionen drohen will. "Dialog und Wehrbereitschaft" nennt das der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD).
Und der ehemalige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sagt deutlich, dass den Russen der Preis klar sein müsse - bei Krieg sei jede Verhandlungsbereitschaft zu Ende.
Pipeline-Projekt eng mit SPD verbunden
Die Drohung mit der Gaspipeline Nord Stream 2 erzielt wahrscheinlich eine hohe Wirkung bei Russlands Präsident Wladimir Putin. Werden große Teile des russischen Haushalts doch mit Gasexporten erwirtschaftet. Das wissen auch die europäischen Nachbarn Deutschlands, die Nato-Partner einschließlich der USA. Sie alle warnen die Bundesregierung seit langem vor Nord Stream 2.
Das Problem für die SPD: Die Entstehungsgeschichte dieser Pipeline ist eng mit ihr verbunden. Es war der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der Nord Stream 2 mit Putin verabredete, um nach seiner Abwahl als Aufsichtsrat bei der Betreibergesellschaft einzusteigen. Für viele in der SPD ist Schröder aber weiterhin ein ganz normaler Altbundeskanzler und nicht der von Russland bezahlte Lobbyist, zudem Kumpel von Putin.
Teile der SPD sehnen sich nach Politik im Brandt-Stil
Und schon sind wir bei der anderen Gruppe in der SPD, die sich nostalgisch nach der alten Friedens- und Entspannungspolitik à la Willy Brandt sehnt. Wandel durch Annäherung. Und dabei auch Russlands Sicherheitsbedürfnis in den Vordergrund stellt.
So bezeichnet der Parteilinke Ralf Stegner das Drohen mit Sanktionen bereits als Säbelrasseln, der ehemalige SPD-Chef Matthias Platzeck will, dass die Sicherheitsbedürfnisse und Sicherheitsbedenken Russlands anerkannt werden.
SPD gibt kein geschlossenes Bild ab
Und die Parteiführung? Hielt sich lange bedeckt, übernimmt das neue Wording von Olaf Scholz. Saskia Esken und Lars Klingbeil wissen um den Konflikt in der Partei. Lassen ihn aber laufen. Vielleicht weil sie fürchten, dass sie die Diskussionen in der SPD nicht einholen können.
In einer schweren außenpolitischen Krise hat der SPD-Kanzler lange herumgeschwurbelt, die Vorsitzenden haben geschwiegen, und alle drei lassen die Genossinnen und Genossen in der Partei munter gewähren.
Das geschlossene Bild, das man von einer Kanzlerpartei im Angesicht einer außenpolitischen Krise erwartet, sucht man bei der SPD im Moment vergeblich.