Tagelang hatte Italiens damaliger Innenminister Salvini dem Flüchtlingsboot "Open Arms" verwehrt, anzulegen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Entführung vor, nun folgt der Prozess.
Der frühere italienische Innenminister Matteo Salvini muss sich im Zusammenhang mit der Blockade eines Flüchtlingsboots vor Gericht verantworten. Ein Richter in Sizilien entschied am Samstag, Salvini werde wegen dessen Weigerung 2019, ein spanisches Rettungsschiff mit Flüchtlingen an Bord in einem italienischen Hafen anlegen zu lassen, der Prozess gemacht. Bei einer Anhörung in Palermo legte Richter Lorenzo Iannelli den Beginn des Verfahrens auf den 15. September fest.
Flüchtlinge sprangen wegen Salvinis Blockade über Bord
Bei der Anhörung war Salvini im Gerichtssaal anwesend. Er teilte bei Twitter mit, er sei sich sicher, dass er gemäß italienischem Gesetz damals das Richtige getan habe. Er habe "die Sicherheit und Würde Italiens" verteidigt, indem er dem Schiff "Open Arms" die Anfahrt verboten habe.
Die Staatsanwaltschaft hat Salvini von der rechten Partei Lega Amtspflichtverletzung und Entführung zur Last gelegt, weil er im August 2019 die geretteten Migranten tagelang vor der Küste von Lampedusa im Meer festsitzen ließ. Damals sprangen einige der Migranten verzweifelt vom Schiff. Nach 19-tägigem Ausharren durften die 83 übrigen Migranten in Lampedusa von Bord gehen.
Anwältin: Flüchtlingsboot hätte woanders anlegen sollen
Salvini argumentierte, dass Rettungsschiffe von Hilfsorganisationen Schleuser mit Sitz in Libyen ermutigten. Mit seiner Anti-Migrations-Politik habe er Leben gerettet, indem sie vor den gefährlichen Fahrten über das Mittelmeer abgeschreckt habe.
Seine Anwältin Giulia Bongiorno sagte, sie sei sicher, das Gericht werde zu der Entscheidung kommen, dass es keine Entführung gegeben habe. Die Freiheit der Menschen sei nicht eingeschränkt worden, sagte sie nach Verkündung der Entscheidung des Richters. Das Schiff hätte überall hinfahren können, nur nicht in den Hafen:
Open Arms begrüßt Anklage gegen Salvini
Die Nichtregierungsorganisation Open Arms dagegen begrüßte die Entscheidung. Sie ist ebenso wie einige Geretteten, die Stadt Barcelona und andere Hilfsorganisationen Nebenklägerin in dem Fall.
Ihr Gründer Oscar Camps sagte, die Entscheidung, Salvini für Handlungen während seiner Zeit als Innenminister zur Rechenschaft zu ziehen, sei historisch. Der Prozess zeige, dass es in der Politik Prinzipien individueller Verantwortung gebe, sagte Camps.
Weitere Ermittlung gegen Salvini
Gegen den früheren Innenminister wird auch wegen eines anderen Falls mit Migranten ermittelt. Dabei geht es um das italienische Küstenwachenschiff "Gregoretti", dem es Salvini im Sommer 2019 nicht erlaubte, anzulegen. Die Staatsanwaltschaft in dem Fall riet in der vergangenen Woche von einem Prozess gegen Salvini ab. Sie argumentierte, dass Salvini damals die Regierungspolitik befolgt habe.