Wie Putin die EU-Sanktionen aufweichen will

    Gas, Getreide, Luftfahrt:Wie Putin die EU-Sanktionen aufweichen will

    27.07.2022 | 11:27
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    Dass Russland den Gashahn weiter zudreht, ist eine Retourkutsche für die Sanktionen der EU. Moskau will die Strafmaßnahmen aufweichen – doch Brüssels Antwort ist eindeutig.

    Wladimir Putin, aufgenommen am 25.07.2022 in Moskau (Russland)
    Die neuen EU-Sanktionen gegen Russland sind am Donnerstagabend in Kraft getreten. Unter anderem gelten nun strengere Exportkontrollen für Hochtechnologie-Produkte.
    Quelle: Reuters

    Dass Kremlchef Wladimir Putin den Gashahn Deutschland nun weiter zudreht, ist vor allem eine Retourkutsche für die Sanktionen der EU gegen Russlands Krieg in der Ukraine. Zwar behauptet der Kreml, es gebe keine politischen Gründe für die Reduzierung der Gasmenge nach Deutschland.
    Aber selbst russische Kommentatoren fordern inzwischen die Führung in Moskau auf, mit offenen Karten zu spielen: Immerhin versuchten die EU und die USA mit den Sanktionen ja Russlands Wirtschaft zu zerstören.

    Kommentatoren: "Technische Komödie"

    Da sei es nur legitim, Russlands Gas in diesem Wirtschaftskrieg ebenso als Sanktionsinstrument zu benutzen, um dem Westen zu schaden. So schreibt etwa die Zeitung "Kommersant" am Dienstag:

    Warum wird das Abstellen des Gases für die EU als so eine technische Komödie aufgezogen und nicht als direkte Sanktion, um dem Westen nach gleichem Muster zu antworten.

    Auszug aus "Kommersant"

    Es sei für jeden offensichtlich, dass der Staatskonzern Gazprom die Nummer mit der Reparatur von Gasturbinen für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nur aufführe, um die wichtige Befüllung der Gasspeicher in Europa bis zum Winter nicht zuzulassen.
    Füllstand der deutschen Gasspeicher
    ZDFheute Infografik
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    Immerhin schob der Kreml die Probleme mit den Gasturbinen nun ganz klar auf die Sanktionen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte:

    Wenn es diese Einschränkungen nicht gäbe, würden alle Reparatur-, Garantie- und Servicearbeiten in der üblichen, routinierten, operativen Ordnung erfüllt werden.

    Kremlsprecher Dmitri Peskow

    Russland will Sanktionen aufweichen

    Aber klar ist auch, dass es Russland um mehr geht: um eine Aufweichung der Sanktionen insgesamt.Versuche gibt es in einer Vielzahl von Bereichen, weshalb sich der Machtapparat in Moskau bisweilen den Vorwurf der versuchten Erpressung gefallen lassen muss.
    • In der Debatte um Lebensmittelpreise und den Hunger in der Welt verlangte Putin eine "Paketlösung": So erklärte sich Russland trotz seines Angriffskrieges gegen die Ukraine bereit, unter Vermittlung der Vereinten Nationen Millionen Tonnen Getreide über den Seeweg aus dem Land auf den Weltmarkt zu lassen. Im Gegenzug verlangte Moskau, dass sich UN-Generalsekretär António Guterres persönlich international dafür einsetzen möge, dass Russland wieder ungehindert Getreide, Lebens- und Düngemittel exportieren könne.
    • Was die Gasturbine angeht, will Gazprom auch für künftige Wartungen der Turbinen jedwede Sanktionsrisiken durch ein Schriftstück der EU ausgeschlossen wissen. In der zentralen Gasverdichterstation "Portowaja" sind nach dem Bericht des "Kommersant" insgesamt neun Aggregate, die aus Turbinen und Kompressoren bestehen. Im Moment seien nur zwei Maschinen in Betrieb; im Normalbetrieb seien es fünf plus eine Reserve.

    Brüssel betont: Wird keine Lockerungen geben

    Aus Sicht des Westens sind die Erpressungsversuche Russlands zum Scheitern verurteilt. In Brüssel wird seit Wochen immer wieder betont, dass es keine Lockerung der Sanktionen geben werde, solange Putin nicht den Krieg gegen die Ukraine beende. Von Moskau als Zugeständnisse interpretierte Entscheidungen sind demnach nur Klarstellungen:
    • So wurde zum Beispiel noch einmal schriftlich in einem EU-Beschluss festgehalten, dass sich keine Sanktionsmaßnahme "in irgendeiner Weise gegen den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln, einschließlich Weizen und Düngemitteln, zwischen Drittländern und Russland" richtet. Für den Kauf, die Einfuhr und den Transport erforderliche Transaktionen seien gestattet. Auch dürfen russische Handelsschiffe, die landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Lebensmittel transportieren, weiter Häfen in der EU nutzen.
    • Klargestellt wurde auch, dass die Sanktionen gegen die russische Luftfahrtbranche nicht den Informationsaustausch betreffen, der dazu dient, im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation technische Normen festzulegen.
    • Als völlig ausgeschlossen gilt in Brüssel und Berlin auch, sich dem Druck Moskaus zu beugen und aus Angst vor einer Gas-Versorgungskrise doch eine Betriebsgenehmigung für die Gaspipeline Nord Stream 2 zu erteilen.
    Die EU-Staaten haben sich auf einen Notfall-Plan geeinigt, um mehr Gas zu sparen. Was bedeutet dieser Plan für Deutschland? 26.07.2022 | 2:08 min
    Die am Dienstag erzielte Einigung auf einen Gasnotfallplan zeigt nach Meinung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, dass Europa bereit zum Sparen ist, um sich nicht von Russland erpressen zu lassen:

    Europa lässt sich nicht spalten.

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck

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