Der CDU-Erfolg in Schleswig-Holstein hat viele Gründe und einen Namen: Daniel Günther. Die SPD fällt auf ein historisches Tief: die Wahlanalyse der Forschungsgruppe Wahlen.
Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein wird die CDU nach einem klaren Plus stärkste Partei. Die SPD fällt nach heftigen Verlusten auf ein historisches Tief in diesem Bundesland, die Grünen erzielen dagegen ein Rekordergebnis und kommen auf Platz zwei. Die FDP hat Verluste, die AfD scheitert möglicherweise erstmals bei einer Landtagswahl seit 2013 an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) legt sichtbar zu und eine sehr schwache Linke bleibt ohne Mandate.
CDU-Wahlsieg: Erfolgsfaktor Daniel Günther
Bei einer klar landespolitisch geprägten Wahl hat der CDU-Erfolg im Norden Deutschlands viele Gründe und einen Namen: Neben hohem Ansehen als Landespartei, Sachkompetenz und guter Regierungsarbeit punkten die Christdemokraten allen voran mit Daniel Günther. Flankiert von einer hervorragenden Bilanz (gute Arbeit: 85 Prozent), schafft es der CDU-Spitzenkandidat bei parteiübergreifendem Ansehen (+5/-5-Skala: 3,1) in die Ministerpräsidenten-Spitzenklasse.
Personen: SPD- und Grüne-Kandidat*in weitgehend unbekannt
61 Prozent wollen Daniel Günther, aber nur acht Prozent Thomas Losse-Müller (SPD) und neun Prozent Monika Heinold (Grüne) als Regierungschef*in - ein selten großer Abstand, der neben den überragenden Qualitäten des Amtsinhabers auch auf spezifisch-schwacher Konkurrenz beruht: Nur etwas mehr bzw. sogar weniger als ein Drittel der Befragten sind die Herausforderer von SPD bzw. Grünen, Thomas Losse-Müller (+5/-5-Skala: 1,0) und Monika Heinold (1,6) namentlich bekannt.
Parteiimages: Land-Bund-Gefälle bei der CDU
Neben einem blassen Kandidaten - und einem in der Ukraine-Krise nur bedingt überzeugendem Bundeskanzler Olaf Scholz - macht der SPD ihr rückläufiges Vor-Ort-Ansehen zu schaffen: Als Landespartei verliert die SPD Reputation (0,9; 2017: 1,5) und liegt hier unter dem Niveau der Bundes-SPD (1,2; 2017: 1,4).
[Lesen Sie hier, was Kanzler Scholz in einer Fernsehansprache zum Ukraine-Krieg gesagt hat:]
- Scholz: Nato wird keine Kriegspartei
Kanzler Scholz betont in seiner TV-Rede zum 8. Mai die historische Verantwortung Deutschlands zur Unterstützung der Ukraine. Aber: Die Nato werde keine Kriegspartei werden.
Die Grünen sind im Land stabil (1,2; 2017: 1,2), während die Bundespartei einen klaren Imagegewinn verbucht (1,3; 2017: 0,6). Bei der CDU trennen die Befragten ungewöhnlich deutlich zwischen einer Bundespartei (0,7; 2017: 1,7), deren Reputation absackt, und der Schleswig-Holstein-CDU, die beim Ansehen Rekordniveau erreicht (2,4; 2017: 1,4).
Themen: Grüne bei Energiepolitik stark
Bei einer Wahl, bei der für 69 Prozent das Geschehen im Land und nur für 27 Prozent die Bundespolitik wichtiger war, profitiert die CDU zudem von gewachsenem Standortvertrauen: Während Schleswig-Holstein für inzwischen 63 Prozent (2017: 56 Prozent) gut für kommende Aufgaben gerüstet ist, wird der größten Regierungspartei die eindeutig höchste Zukunfts- und Wirtschaftskompetenz zugeschrieben. Bei "Bildung/Schule" oder "Infrastruktur" zeigt die CDU aber relative Defizite; bei "Energiepolitik" und "Klima/Umwelt", dem wichtigsten Themenbereich im Land, liegt die CDU weit hinter den Grünen.
Kleine Parteien: Große Unterschiede beim Ansehen
Die FDP wird zwar bei den Themen "Infrastruktur" und "Verkehr" mit einer eigenständigen Kompetenz wahrgenommen. Ansonsten bleibt die FDP bei den Inhalten aber eher schwach und beim Parteiansehen im Land nur mäßig (+5/-5-Skala: 0,7; 2017: 0,7), was sie relativ zum großen Regierungspartner und den Grünen zurückfallen lässt.
Der SSW profiliert sich neben ordentlicher Oppositionsarbeit mit gewachsenem Ansehen (1,5; 2017: 0,6), das Image der AfD bleibt miserabel (minus 3,9; 2017: minus 3,7).
Wer wählte wen: CDU-Domäne Generation 60plus
Die CDU wird bei allen ab 30-jährigen Wähler*innen klar stärkste Partei, verdankt ihren überlegenen Wahlsieg aber vor allem der älteren, wie gewohnt besonders beteiligungsstarken Generation: Bei den ab 60-Jährigen ist die CDU mit 48 Prozent gut doppelt so stark wie bei den unter 30-Jährigen. Bei letzteren kann die CDU nicht zulegen und wird von den Grünen überholt (22 bzw. 27 Prozent).
Die SPD konkurriert bei den unter 30-Jährigen mit der FDP (13 bzw. 12 Prozent), besonders heftig verliert die SPD aber bei den 45- bis 59-Jährigen (minus 16). In der Generation 60plus bleibt die SPD mit 20 Prozent leicht überdurchschnittlich, allerdings kommen die Grünen mit 16 Prozent auch hier jetzt stärker in Sichtweite; bei allen unter 60-Jährigen liegt die SPD weit hinter den Grünen.
Koalitionen: Regierungsauftrag für die CDU
Was die nächste Regierung betrifft, ist die Rückmeldung zu Schwarz-Grün und "Jamaika" positiv, gegenüber allen anderen Koalitionsmodellen überwiegt Distanz. Bei hoher Zufriedenheit mit der Landesregierung war die Wahl so auch ein klares Votum für politische Kontinuität im Norden - getragen von einem integrativen Ministerpräsidenten, der in Zeiten der Krise neben Qualität auch für stabile Führung steht. Entsprechend hat der CDU-Wahlsieg eine spezifisch-personelle Dimension, die sich genau wie die Inhalte oder das strukturelle Umfeld so auch nicht auf die Landtagswahl in NRW übertragen lassen.
Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.173 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Schleswig-Holstein in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 17.834 Wähler/innen am Wahltag.