Das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara gilt als schwierig. Beim Antrittsbesuch bleibt Kanzler Scholz auf Distanz zu Erdogan. Einigkeit besteht in der Haltung zum Ukraine-Krieg.
21 Salutschüsse begrüßen den Gast aus Deutschland. Dumpf hallt ihr Klang durch die Luft, als Bundeskanzler Olaf Scholz an der Seite von Recep Tayyip Erdogan vor dem türkischen Präsidentenpalast auf die Abnahme der Ehrenformation wartet.
Wären dies andere Zeiten, wären die Kanonenschläge nur Teil der pompösen Begrüßungszeremoniells. So aber klingen sie wie eine Mahnung an den Krieg auf der anderen Seite des Schwarzen Meers.
Missstimmung zwischen Berlin und Ankara
Olaf Scholz ist zum Antrittsbesuch in Ankara. Zu besprechen gäbe es auch ohne Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine genug. Denn die deutsch-türkischen Beziehungen sind traditionell komplex. Etwa drei Millionen Menschen in Deutschland mit familiären Verbindungen zur Türkei verbinden die beiden Länder auf besondere Weise. Enge Wirtschaftsbeziehungen und die Nato-Partnerschaft machen sie zu traditionellen Verbündeten.
Doch in den letzten Jahren knirschte es auch gewaltig. Die Aushöhlung demokratischer Strukturen und Institutionen in der Türkei, systematische Verstöße gegen Menschenrechte und der offene Einsatz des türkisch-europäischen Migrationspakts als politisches Druckmittel sorgen für Missstimmung zwischen Berlin und Ankara.
Scholz bleibt auf Distanz
Wo steht Scholz in diesen und anderen Fragen, im Vergleich zu seiner Vorgängerin Angela Merkel? Das dürfte die türkische Seite vorab sehr interessiert haben. Wie ernüchternd die Antwort im Vier-Augen-Gespräch zwischen Scholz und Erdogan ausfiel, war der anschließenden Pressekonferenz anzumerken.
Berlin bleibt im Wesentlichen auf freundlicher Distanz. Keine Waffenlieferungen an die Türkei, Geld für Migrationsfragen gibt es nur zur direkten Versorgung Geflüchteter und bei der Kritik in Sachen Menschenrechte will der Bundeskanzler offenbar nicht hinter Merkel zurückstehen.
Scholz lobt Erdogans Vermittlungsversuch im Ukraine-Krieg
Dass der Ton dennoch ausgesucht freundlich blieb, liegt auch an den besonderen Zeiten. In der Russland-Frage sind sich Deutschland und die Türkei einig. Scholz lobt den türkischen Einsatz beim Versuch, Russen und Ukrainer an einen Verhandlungstisch zu bringen, und betont die enge Abstimmung mit Präsident Erdogan im Rahmen der internationalen Diplomatie.
Es gebe einen gemeinsamen Appell an Präsident Putin: "Halten Sie inne, es kann nur eine diplomatische Lösung geben." Für den Moment muss Erdogan sich damit zufrieden geben - und mit dem Versprechen auf den Ausbau der deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen.
Türkei hofft auf Wiederbelebung des Tourismus
Beim Abendessen nach der Pressekonferenz sitzt der Tourismusminister mit am Tisch, ein Zeichen dafür, dass die Türkei auf mehr hofft, als Scholz' vage Visionen eines Wasserstoff-getriebenen Wachstums im Kielwasser der Energiewende.
Den Tourismus im Jahr 2022 zurückbringen auf Vor-Pandemie-Niveau, das sei das Ziel, sagt Erdogan vor der versammelten Presse. Es ist, im Schatten des Krieges, ein Feld, bei dem die Türkei auf deutsche Unterstützung baut.
Shakuntala Banerjee ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.