Der wichtigste Grund gegen die Peking-Reise ist Olaf Scholz selbst. Er hat keinen China-Plan. Und er sendet die falschen Signale.
Die Reise des Bundeskanzlers nach Peking ist schon vorab so umstritten, dass Olaf Scholz sie heute in einem Namensartikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) zu rechtfertigen versucht. Er nennt darin fünf Gedanken, die ihn auf der Reise begleiten. Es lohnt sich, diese Punkte genauer anzuschauen. Denn tatsächlich zeigen sie, warum Scholz besser zu Hause geblieben wäre.
Problem Wirtschaftsschwerpunkt
Scholz spricht davon, dass das China unter Xi Jinping ein anderes Land sei als vor fünf oder zehn Jahren. Man kann ihm da nur zustimmen. Unter Xi entwickelt sich China zu einer totalitären Diktatur, die nach innen wie nach außen aggressiv gegen jeden vorgeht, den sie als Gegner wahrnimmt.
Die Kritik an dem für morgen geplanten Besuch von Bundeskanzler Scholz in Peking reißt nicht ab. Experten warnen vor weiteren wirtschaftlichen Verflechtungen mit China.
Das schreibt Scholz zu Recht. Das Problem ist, dass er bislang nicht gezeigt hat, was er damit meint. Im Gegenteil: Die Scholz-Reise hat einen klaren Wirtschaftsschwerpunkt und ähnelt viel zu sehr jenen von Angela Merkel, die China als "strategischen Partner" sah und damit die enorme wirtschaftliche Abhängigkeit schuf, die Deutschland heute so gefährlich wird. Scholz macht also "business as usual", er sendet das Signal an China, dass sich im Grunde nichts ändert.
China arbeitet an Blockbildung
Scholz will China drängen, Druck auf Russland auszuüben. Und er will damit auch einer neuen Blockbildung, einem neuen Kalten Krieg, entgegenwirken. Er übersieht dabei, dass Xi Jinping selbst China in genau diesem Systemwettstreit mit dem Westen sieht. Für Xi geht es um den angeblich unausweichlichen Sieg des chinesischen Sozialismus über den Westen. Die "Neue Seidenstraße"-Projekte in der Welt zeigen im Übrigen, dass China gerade eifrig an eben dieser Blockbildung baut.
Der Kanzler schreibt, er wolle einseitige Abhängigkeiten von China abbauen. Was er nicht schreibt, ist, dass er auf seiner Reise Bosse der Auto- und Chemieindustrie mitnimmt, die diese Abhängigkeit in den letzten Monaten durch enorme Investitionen in China noch einmal deutlich erhöht haben. Das ist keine Privatangelegenheit der Konzerne mehr, sondern - siehe Russland - eine Frage der nationalen Sicherheit und damit eigentlich Sache der Politik.
Signal: Gaben zur Respektsbezeugung
Doch statt Abhängigkeiten zu verringern, bringt Scholz Geschenke mit nach Peking. Zuallererst den Cosco-Deal zum Hamburger Hafen, den er gegen die Einwände von sechs Ministerien durchgeboxt hat. Scholz rechtfertigt ihn mit klaren Auflagen und dass die Kontrolle des Terminals bei der Stadt Hamburg und der Hafengesellschaft bleibe. Das Signal, das in Peking ankommt, dürfte ein anderes sein: Kurz nach dem Parteitag, kurz nach der Krönung des neuen Kaisers Xi kommt jemand, der wie früher Chinas Vasallenstaaten, mit Gaben seine Ehre und seinen Respekt bezeugt. Mehr könnte sich Xi eigentlich nicht wünschen.
Scholz verspricht in dem FAZ-Artikel, auch schwierige Themen anzusprechen. Davon gäbe es viele: zum Beispiel die Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang oder die Drohungen gegenüber Taiwan. Aber auch hier verpasst er es, ein Signal zu setzen. Er hätte - nur als Beispiel - ja einen Wissenschaftler des Berliner Mercator Instituts für China Studien (Merics) mitnehmen können. Peking hat das ihm missliebige Institut im März vergangenen Jahres mit einem Einreiseverbot belegt, so wie auch einige EU-Politiker. Als Teil der Delegation hätte Peking schwer etwas dagegen einwenden können. Es wäre ein Signal für die Freiheit von Wissenschaft und Meinung gewesen.
In ganz Europa halten chinesische Unternehmen Anteile an der Infrastruktur – so auch Cosco, das den Hafen von Piräus betreibt. Die Angst vor Europas Abhängigkeit von China wächst.
Scholz hingegen macht einen Besuch zu Pekings Bedingungen. Das ist ein bitteres Signal auch an jene Dissidenten, die den Kanzler in einem offenen Brief aufgefordert haben, nicht zu reisen.
Falsche Signale von Scholz in Richtung Peking
Scholz behauptet am Ende, seine Reise sei eingebettet in eine europäische China-Politik. Einige Regierungen in Europa werden das eher als einen deutschen Alleingang nach Peking sehen. Und in der Ampel-Koalition ist der Konflikt über die Ausrichtung der China-Politik offensichtlich. Während das Auswärtige Amt an einer China-Strategie formuliert, die eine härtere Linie verfolgt, versucht das Kanzleramt das wieder aufzuweichen. Diese Uneinigkeit und Unklarheit in der eigenen Linie hat Peking schon immer für sich zu nutzen gewusst.
Scholz hat keinen China-Plan und er sendet die falschen Signale an Peking. Unter diesen Voraussetzungen wäre er am besten nicht gefahren.
Chinas Führung will die Kontrolle über das eigene Volk um jeden Preis. Xi Jinping soll jetzt zum Führer auf Lebenszeit ernannt werden.