Vor wenigen Wochen wurde Angela Merkel bei ihrem letzten EU-Gipfel verabschiedet. Jetzt sitzt erstmals der neue Kanzler in der Brüsseler Spitzenrunde. Die Themen im Überblick.
Kanzler Scholz nimmt heute an seinem ersten EU-Gipfel teil.
Wird sich Olaf Scholz erst einmal zurückhalten? Oder sofort versuchen, Akzente zu setzen? Der neue deutsche Kanzler wird bei seinem ersten EU-Gipfel unter besonderer Beobachtung stehen - auch weil seine Vorgängerin Angela Merkel die Runde der Staats- und Regierungschefs über 16 Jahre hinweg sehr stark geprägt hat.
Chancen, sich inhaltlich zu profilieren, gibt es für den SPD-Politiker gleich zu Anfang reichlich.
Die Themen des eintägigen Treffens im Überblick:
Covid-19
Wie weiter angesichts der besorgniserregenden Variante Omikron, die nach Einschätzung der EU-Gesundheitsbehörde ECDC schon bald in der EU dominieren dürfte? Darum wird sich die Diskussion zu Beginn des EU-Gipfels drehen. Herauskommen dürfte ein eindringlicher Appell, das Impfen schleunigst voranzutreiben - auch die Booster-Impfungen. Derzeit klafft die Impfrate in den 27 EU-Staaten dramatisch auseinander.
Impfskepsis solle etwa überwunden werden, indem Desinformation bekämpft werde, heißt es im jüngsten Entwurf für die Gipfel-Erklärung. Zugleich wollen die EU-Staaten eine gemeinsame Linie mit Blick auf die Reisefreiheit finden. Es erfordere weitere Koordinierung, um den Binnenmarkt nicht zu gefährden und die Bewegungsfreiheit nicht unnötig zu beeinträchtigen, heißt es.
Der Gipfel will zudem bekräftigen, vor allem Afrika bei der Versorgung mit Impfstoff stärker zu unterstützen.
Energiepreise
Was tun angesichts der stark gestiegenen Energiepreise? Über diese Frage gibt es in der EU bereits seit Wochen hitzige Diskussionen. Ein Teil der Mitgliedstaaten ist der Ansicht, dass es strukturelle Reformen braucht - andere sind hingegen der Meinung, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handelt, das lediglich kurzfristig Ausgleichsmaßnahmen für arme oder besonders stark betroffene Verbraucher erfordert.
Thema könnte zudem auch das Emissionshandelssystem (ETS) der EU werden, bei dem zum Beispiel die Industrie für CO2-Emissionen bezahlen muss. Unter anderem Polen macht angebliche Spekulationen am ETS-Markt für die hohen Energiepreise verantwortlich. Die Marktaufsichtsbehörde ESMA konnte bislang keine Beweise dafür finden.
Auch eine anstehende Entscheidung darüber, ob Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich gelten sollen, könnte angesprochen werden. Alle Augen sind auf Frankreich und Deutschland gerichtet, da Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Scholz sich bei dem Thema der sogenannten Taxonomie bis zuletzt nicht einigen konnten. Dabei handelt es sich um ein Klassifizierungssystem für "grüne" Finanzprodukte.
Russland & Sicherheit
Eine klare Botschaft soll es vom Gipfel noch einmal an Russlands Präsidenten Wladimir Putin geben. In dem jüngsten Entwurf der Abschlusserklärung heißt es, das Land müsse dringend die Spannungen entschärfen, die durch den Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine und aggressive Rhetorik verursacht worden seien.
Jede weitere militärische Aggression gegen die Ukraine werde "massive Konsequenzen und hohe Kosten" nach sich ziehen. Um künftig international handlungsfähiger zu werden, soll die Fähigkeit der EU zum autonomen Handeln gestärkt werden. Sie werde "mehr Verantwortung für ihre eigene Sicherheit und Verteidigung übernehmen", heißt es dazu im Entwurf für die Gipfelerklärung.
Migration
Beim Thema Migration gibt es in der EU etliche Baustellen und fast ebensoviele Interessen der Mitgliedstaaten. Beim Gipfel soll es nun um die sogenannten externen Aspekte gehen. Das bedeutet in erster Linie die Beziehung zu den Herkunfts- und Transitstaaten jener Migranten, die nach Europa kommen.
Über die Gipfel-Erklärung sollen die EU-Kommission und der Außenbeauftragte unter anderem dazu aufgerufen werden, neue Abkommen zur Rückübernahme von Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis in der EU abzuschließen.
Wirtschaft
Zum Abschluss des Tages kommen die Staats- und Regierungschefs zum sogenannten Euro-Gipfel zusammen. Dabei wollen sie unter anderem die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise thematisieren und mögliche Risiken durch die neue Omikron-Variante.
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