Bundeskanzler Scholz bleibt in Interviews gerne unkonkret. Kommunikationswissenschaftlerin Holtz-Bacha sieht dahinter eine Strategie. Sie könnte Scholz aber auch schaden.
ZDFheute: Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich in den ersten Monaten seiner Amtszeit nicht als Mann der großen Worte hervorgetan. Welche Strategie steckt hinter dem sehr Bedachten?
Christina Holtz-Bacha: Das ist meiner Ansicht nach Ausdruck seiner großen politischen Erfahrung. Olaf Scholz weiß genau, dass er viele verprellen kann, wenn er zu konkret wird. Nehmen wir als Beispiel die Auseinandersetzungen mit Russland um die Ukraine: Der Bundeskanzler hat ja sogar gesagt, man wolle nicht gleich alle Optionen, die man ausgearbeitet hat, offenlegen, um unkalkulierbarer zu sein für Russland.
Man muss außerdem berücksichtigen, dass Olaf Scholz Kanzler einer Drei-Parteien-Koalition ist, mit unterschiedlichsten Interessen in vielen Fragen. Diese Parteien, die sich auch selbst nicht einig sind, zusammenzuhalten, ist kein leichtes Unterfangen. Er hält sich deshalb zurück. Das macht Olaf Scholz sehr geschickt.
Zudem darf man nicht vergessen, dass er in seiner eigenen Partei zunächst nicht der präferierte Kanzlerkandidat insbesondere der Partei-Linken gewesen ist. Er muss also auch sehen, wie er sich mit Blick auf die SPD verhält. All das erklärt gut, warum Olaf Scholz möglichst im Vagen bleibt. Er legt sich nicht fest und hält sich dadurch Optionen offen. Das ist bewusstes Kalkül.
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ZDFheute: Hat sich seine Rhetorik nochmals geändert, seit Olaf Scholz Bundeskanzler ist?
Holtz-Bacha: Nein. Für mich ist er sich in dieser Hinsicht immer treu geblieben. Als Erster Bürgermeister von Hamburg oder Finanzminister ist das nicht so sehr aufgefallen, weil er nicht derart im Fokus gestanden ist, aber auch in dieser Zeit hat er so agiert.
Wir erinnern uns alle, wie Olaf Scholz auf die ewige Frage nach einer möglichen Koalition mit der Linken reagiert hat. Darauf hat er bis heute nicht geantwortet. Oder denken wir an Wirecard oder Cum-Ex: Auch das hat Olaf Scholz rhetorisch geschickt durch Nichts-sagen stoisch ausgesessen. Er hat in seinem politischen Leben immer wieder die Erfahrung gemacht, dass er gut damit fährt.
ZDFheute: Was sagt die Strategie der Nicht-Kommunikation über den Politiker Olaf Scholz aus?
Holtz-Bacha: Man kann das als Charakterstärke sehen.
Es ist ein Wesenszug - diese typische norddeutsche spröde Art, mit der viele sicherlich Probleme haben. Aber dazu steht Olaf Scholz und ich denke nicht, dass er sich verbiegen lässt.
ZDFheute: Schädigt Olaf Scholz damit sich selbst und seiner Glaubwürdigkeit?
Holtz-Bacha: Es gibt natürlich eine berechtigte Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, dass sich die Regierung erklärt und Antworten auf drängende Fragen gibt, angesichts der Unsicherheiten, die wir im Moment erleben. Da ist in erster Linie der Kanzler gefragt.
Es wäre deshalb wohl geschickter, wenn Olaf Scholz einfach mal seine Strategie erklären würde: Dass man nicht konkret wird, weil es Teil einer diplomatischen Strategie ist oder um die Koalition nicht zu gefährden, und so weiter.
Da ist sicherlich auch der Regierungssprecher gefragt. Ansonsten kann Olaf Scholz das natürlich langfristig schaden. Das zeigen auch die aktuellen Umfragewerte. Es ist eine Gratwanderung.
ZDFheute: Wie passt dieses Verhalten zusammen mit seinem Leitspruch "Wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie auch"?
Holtz-Bacha: Dieser Satz fliegt ihm natürlich durch sein Verhalten regelrecht um die Ohren. Aber man muss dabei bedenken, dass die Regierung noch keine hundert Tage im Amt ist. Es ist damit viel zu früh, das bewerten zu können.
Zumal die Gesamtsituation mit Corona-Pandemie und Russland-Ukraine-Konflikt, in der diese Koalition angetreten ist, äußerst schwierig ist. Aber es ist natürlich gut für die Medien und für den neugewählten CDU-Vorsitzenden. Damit muss Olaf Scholz umgehen.
Das Interview führte Michael Kniess.