Kanzler Scholz trifft heute den russischen Präsidenten Putin. Es geht darum, den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zu entschärfen. Was jetzt nötig wäre.
Dass es schwierige Zeiten sind, ist wohl allen bewusst. Auch, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kein Wunderwerk vollbringen kann bei seinem heutigen Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Doch sein Auftritt zählt. Die Bundesregierung hält sich bislang bedeckt, welche Konsequenzen eine erneute russische Aggression gegenüber der Ukraine haben würde. Mehr denn je braucht es heute eine klare Haltung von Scholz. Die ist nach seinem gestrigen Besuch in Kiew jedoch kaum zu erwarten.
Innenpolitischer Konsens über Umgang mit Moskau fehlt
Das Grundproblem der deutschen außenpolitischen Reaktion ist der fehlende innenpolitische Konsens über den Umgang mit Russland. Kaum eine Partei ist davon mehr betroffen als Scholz‘ SPD. Das liegt vor allem am Infragestellen des bisherigen außenpolitischen Ansatzes, dem Dialog mit Russland und einer Annäherung im Sinne des "Wandels durch Handel".
Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner Russlands. Mit stärkeren wirtschaftlichen Anbindungen soll sich Handlungsspielraum gegenüber Russland verschafft und beispielsweise die Gaspipeline Nord Stream 2 auch als Druckmittel genutzt werden.
Dabei zeigt die Pipeline so deutlich wie kein anderes Projekt das Kernproblem dieser Politik: Abhängigkeit ist immer gegenseitig. Die stärkere Bindung an Russland, von dem Deutschland bereits jetzt über die Hälfte seiner Erdgasimporte bezieht, gefährdet eine sichere deutsche und damit auch europäische Energieversorgung. Dreht Putin in einem zugespitzten Konflikt den Gashahn zu, friert Deutschland, nicht Russland.
Es stimmt, in Russland hat sich in den vergangen zwei Jahrzehnten ein Wandel vollzogen. Das Land ist autokratischer und außenpolitisch aggressiver geworden. Das Gegenteil war das Ziel. Das Scheitern der deutschen Russlandpolitik macht neue Ansätze notwendig, die über wirtschaftliche Annäherungen hinausdenken und die oberste Priorität haben, eine Eskalation in der Ukraine zu verhindern.
Scholz "strategische Ambiguität"
Neben den innenpolitischen Abstimmungen fehlt es auch außenpolitisch an einer klaren Kommunikation. Das Verschweigen der konkreten Auswirkungen russischer Aggressionen sei "strategische Ambiguität", so Scholz.
Russland im Unklaren zu lassen, kann in der Tat ein taktischer Vorteil sein. Jedoch nur, wenn das Land tatsächlich hohe Kosten befürchten muss. Es braucht die eindeutige Botschaft, dass ein Krieg zu teuer wäre, um ihn einzugehen. Diese Linie muss nicht nur der Bundesregierung intern, sondern vor allem Putin klar sein.
Die bisherige strategische Ambiguität wirkt aufgrund fehlenden innenpolitischen Konsenses bisher jedoch eher wie ein Deckmantel für fehlende Strategie. Besonders wichtig ist die Absprache mit der Ukraine, so wie auch die US-amerikanische Leitlinie lautet: "Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine". Bei der Pressekonferenz erklärte der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selensky am Dienstag jedoch, keine Antworten von Scholz auf Deutschlands mögliche Reaktion erhalten zu haben.
Klare Haltung als Basis für Dialog mit Russland
Es braucht eine innenpolitisch und außenpolitisch klare Haltung, um weiterhin einen Dialog mit Russland führen zu können. Von Putin kommen trotz strategischer Unklarheiten eindeutige Forderungen nach Sicherheitsgarantien. Die Antwort von Scholz muss ebenso deutlich folgen. Denn wenn nur eine Seite rote Linien aufzeigt, kann Dialog auf Augenhöhe nicht gelingen.
Die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine, die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei ihrem Besuch vor kurzem betonte, muss auch bei Scholz‘ heutigem Besuch oberste Priorität haben. Kommentare wie seine Bemerkung am Dienstag in Kiew, dass sich die Frage etwa nach einer Nato-Mitgliedschaft aktuell nicht stelle, sind dabei die falschen Signale.
- "Diplomatie hat noch eine Chance"
Wie weit geht Russland im Konflikt mit der Ukraine? Putin habe hoch gepokert, sagt der Militärhistoriker Neitzel im ZDF. Dennoch sieht er eine Chance für eine diplomatische Lösung.