Berlins Ex-Bürgermeister Müller weist Äußerungen Selenskyjs nach einem deutschen "Spagat" zwischen Russland und der Ukraine zurück. Neben den USA sei man größter Unterstützer.
Über die Kiew-Reise des Bundeskanzlers, Voraussetzungen für Friedensverhandlungen und einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine sowie die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges
Wie groß ist die Enttäuschung der Ukraine über die deutsche Führung? Angesichts der Kiew-Reise von Olaf Scholz (SPD) eine ganz aktuelle Frage, die von der Runde bei "Markus Lanz" aufgegriffen wurde.
SPD-Politiker Michael Müller, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags, bezeichnete zunächst die Reise des Bundeskanzlers als "starkes Signal einer europäischen Gemeinschaft".
Müller: Scholz-Reise erst spät wegen Steinmeier-Ausladung
Es sei auch eine "Antwort auf das, was Russland da macht", so Müller. Dass die Reise nicht schon früher erfolgt war, führte Müller auf das Verhalten gegenüber Frank-Walter Steinmeier zurück:
Michael Müller äußert sich zum Selenskyj-Interview und zeigt verhaltenes Verständnis für die Forderungen des Präsidenten.
Selenskyj im ZDF: Kein "Spagat" zwischen Ukraine und Russland
Ganz überwunden sind die gegenseitigen Vorbehalte wohl noch immer nicht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte erst in einem ZDF-Interview gemahnt, dass es keinen "Spagat" geben dürfe zwischen der Ukraine und den Beziehungen zu Russland. Man müsse für sich wählen, wo man die Prioritäten setze.
Selenskyj weiter: "Ich glaube, das deutsche Volk hat das für sich entschieden, der Führung fällt es schwer, denn es gibt viele verschiedene Herausforderungen."
110 Tage nach Kriegsbeginn hat es geklappt: heute-journal-Moderator Sievers ist nach Kiew gereist - dort hat sich der ukrainische Präsident Selenskyj unseren Fragen gestellt.
SPD-Politiker: Deutschland größter Ukraine-Unterstützer
Auf Selenskyjs Worte angesprochen sagte Müller: "Ich verstehe, was er formuliert aus seiner Situation heraus, weil er ja viel mehr erwartet." Der SPD-Politiker sagte aber auch, dass man die deutsche Unterstützung der Ukraine nicht nur an den Waffenlieferungen festmachen dürfe.
Seit Jahrzehnten sei Deutschland neben den USA "der größte Unterstützer für die Ukraine - finanziell und humanitär". "Das ist ja auch eine klare Aussage, dass sich die Bundesregierung so verhalten hat", so Müller.
Müller: Minsker Abkommen eine Initiative
Auch das Minsker Friedensabkommen müsse man als eine Initiative sehen, "um schlimmste Auseinandersetzungen zu verhindern". Im Nachhinein könne man das alles kritisieren:
Kein Spagat zwischen Moskau und Kiew - das fordert Präsident Selenskyj von Scholz. Auch die Bevölkerung in den umkämpften Landesteilen hofft auf mehr Unterstützung von Deutschland.
Kade: Deutschland bei Zahlungen im Hintertreffen
Hier ging Journalistin Claudia Kade dazwischen: "Darf ich Sie kurz aufklären, dass bei den finanziellen Unterstützungen Deutschland wieder im Hintertreffen ist?" Es seien Milliardensummen zum Ende des letzten Monats angekündigt worden, doch die seien noch nicht da.
Müller erwiderte, dass es gerade immer eine Entscheidung eines anderen Landes geben könne, was dazu führe, dass dieses Land dann mit "irgendeiner Überweisung" schneller sei.
Mangelnde Unterstützung für die Ukraine?
Selenskyj habe doch vielmehr angesprochen, wie sich Deutschland in den vergangenen Jahren verhalten habe und was er nun erwarte, sagte Müller. Und weiter:
"Nord Stream 2 nennen Sie ein klares Statement?", fragte Kade. Der SPD-Außenpolitiker antwortete, dass man das im Gesamtzusammenhang sehen müsse: "Minsk, humanitär und finanziell muss man sehen".
-
-
Sasse: Eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt
Politologin Gwendolyn Sasse sagte, dass Müller schon recht habe damit, dass Deutschland wichtige Unterstützung geleistet habe für die ukrainische Wirtschaft. Auch schon vor dem Krieg.
Das habe man auch anerkannt. Aber: "Daneben gab es eben eine ganz andere Politik, die auf Russland gerichtet war. Und auf unsere wirtschaftlichen Interessen."
Politologin: Kommunikation ist ein Problem
Selenskyj habe teils "bewusst überspitzt" formuliert. Doch es werde seitens der Bundesregierung nicht klar kommuniziert, wie es mit der Ukraine weitergehen solle - insbesondere beim EU-Kandidatenstatus:
Zwar werde sich die EU-Kommission Ende dieser Woche zum EU-Beitritt der Ukraine äußern. Nächste Woche werde aber erst der Europäische Rat, also alle Mitgliedstaaten, darüber abstimmen. "Das heißt, das ist spät wieder. Bei jeder Frage kommt die Kommunikation spät."
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
Liveblog- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Russlands Angriff auf die Ukraine dauert an. Es gibt Sanktionen gegen Moskau, Waffen für Kiew. Aktuelle News und Hintergründe zum Krieg im Blog.