Norwegen, Oslo: Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) und Jonas Gahr Store, Ministerpräsident von Norwegen, geben eine gemeinsame Pressekonferenz.
Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Gäbe es eine Medaille für effiziente Dienstreisen, hätte
Olaf Scholz derzeit ganz gute Chancen. Gleich fünf nordische Regierungschefinnen (darunter ein Mann) hat er am Montag in Oslo getroffen, bei einem Aufenthalt von nicht einmal acht Stunden. Politisches Speed-Dating in Zeiten der Krise, mit genug gemeinsamen Themen: Energiepreise und -sicherheit stehen auf dem Programm, der
Ukraine-Krieg und die Folgen für Europas Sicherheitsarchitektur.
Scholz ist zu Gast beim "Nordischen Rat", einem Zusammenschluss der skandinavischen Länder. Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark und Island sitzen mit am Tisch, als es um die Sorgen der Nordländer angesichts der Nachbarschaft zu Russland geht, um den daraus resultierenden
Nato-Beitritt von Finnland und Schweden und um die Frage, wie Europa
Energiekrise und Energiewende unter einen Hut bekommen kann.
Ukraine soll weiter unterstützt werden
In dieser Runde ist der Bundeskanzler unter politischen Freunden. "Progressiv" ist der Dachbegriff, unter dem sich die fünf Sozialdemokraten und eine grün-linke Regierungschefin zusammenfinden.
Die gemeinsame Botschaft: Die Ukraine wird weiter unterstützt, die Strom- und Gasversorgung als europäisches Solidaritätsprojekt begriffen und Russland unisono für seinen brutalen Angriffskrieg und die Aufkündigung der regelbasierten, internationalen Ordnung verurteilt.
Fast doppelt so viel Gas als im vergangenen Jahr floss 2022 von Norwegen nach Deutschland. Kann das Land die russischen Lieferungen ersetzen?
Uneinigkeit bei Debatte um Visa für Russen
Nur für einen kurzen Moment zeigen sich Risse: Als in der Pressekonferenz gleich mehrfach die Frage nach
Visa für russische Touristen gestellt wird. Scholz hält einen pauschalen Einreisebann für überzogen: Es sei Putins Krieg, nicht der Krieg der Russen, und Überlegungen, Visa grundsätzlich zu verweigern, könnte auch jenen das Leben schwer machen, die aus Protest gegen den Krieg das eigene Land verlassen wollen.
Damit tun sich die Skandinavier schwerer. Vor allem Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin, die den Visa-Bann zusammen mit ihrer estnischen Amtskollegin vorgeschlagen hat, hält auch am Montag deutlich dagegen: Normale Russen hätten den Krieg nicht begonnen, aber sie unterstützten ihn. Sie weiter in Europa Urlaub machen zu lassen, halte sie für falsch.
Scholz zählt beim Gas auf Norwegen
Es ist die einzige Unwucht an Scholz erstem Reisetag im europäischen Norden. Zu groß sind die Abhängigkeiten und der Wille, irgendwie das Beste aus der Krise zu machen. Deutschland setzt auf
Norwegen, als mittlerweile wichtigsten Gaslieferanten, und hofft, dass das Land seine Produktionskapazitäten nicht nur aus wirtschaftlichen Interessen, sondern auch aus Solidarität künftig bis aufs Äußerste ausreizt.
Norwegen will langfristig sein Konzept der CO2-Lagerung zum europäischen Erfolgsmodell machen. Finnland und Schweden brauchen Unterstützung beim
Nato-Beitritt. Und alle gemeinsam wollen sie hier auch eine Vision verbreiten: von einem demokratischen Europa, das trotz Krieg und Krise den Sprung von der fossilen zur grünen Wirtschaftsmacht schafft. Es ist eine Vision unter Freunden.
Shakuntala Banerjee ist stellvertretende Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin.